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richtets, waren sammt der Capelle St. Kilisns, des Irenspostels, frühzeitig wieder ver-
schwunden; die Propsteikirche am untern Ende der Insel entstand um 80K), die Kloster-
kirche Mitterzell um 813. Schon 40 Jahre später werden die clari piclores von Augiu
divu (Reichenau) geriihmt, doch musste die schlimme Zeit während des Unterganges der
cnrolingischen Herrlichkeit überstanden sein, bis erst, in rechter Blüte, unter Hatto, dem
später berühmten Erzbischof, noch mehr unter Eggehard, namentlich aber während des
hesungenen Witigowo und anderer Aebte fast gleich baulnstigen Regierungsperioden, eine
reiche Zahl von Kirchen-, Kreuzgang-, Kloster- und Capellenbauten, zum Theil Umbauten,
folgten. Diese frühen Bauten erfuhren in Folge zahlreicher Unfälle im 12., 13. und den
folgenden Jahrhunderten zahlreiche Umgestaltungen, das Kloster ging aber immer mehr
dem Verfall entgegen.
Die erhaltenen Kirchen von Oberzell und Niederzell, dreischiffige Säulenbasiliken,
bieten Beispiele des Aeltesten und interessantesten. Der Verfasser erblickt in jener cines
der wenigen noch erhaltenen Denkmäler altchristlicher Baukunst in Deutschland; S. Georg
zeichnet sich nebstdem auch durch ein höchst alterthiimliches, zu den allgemeinen Ur-
formen ziihlendes Mäander-Ornament aus , die Pforte, der Altar haben noch etwas antik-
strenges an sich. Vor Allem verdienrhier das Wandbild des jüngsten Gerichtes Beachtung,
dessen archäologischer Werth nicht geringer als der technische zu sein scheint, welch'
letzteren der Verfasser tredlich charakterisirt, indem er den Vergleich mit den schwarzen
Figuren auf rothem Grunde der ältern griechischen Vasen anstellt. Mitterzell besitzt eine
Pfeilerbasilika mit drei Schitfen und spätgothischem Choranbau.
Eine Zusammenstellung der Daten macht das Gebotene sehr übersichtlich. Nach
diesem Besume sind in den Kirchenbauten von Reichenau altchristliche, byzantinische,
romanische, spätromaniscbe und spiitgothische Elemente vertreten. Durch die vollkommen -
streng und wissenschaftlich durchgeführte Beschreibung dieser Reste, namentlich der erst-
genannten, ist eine grosse Lücke unserer Kunde über carolingisehe Bauweise zum Theile
beseitigt, nicht weniger in der des iVandgemiildes ein schiitzenswerther Beitrag zur Ge-
schichte deutscher Kunst im Fresco gegeben. 5 Tafeln charakteristischer Nachbildungen
(zum Theil Farbendruck) von W. Ineillot in Berlin unterstützen die Erklärung des Textes.
Hier ünden wir einige Ornamente romanischen Stils von gresscr einfacher Lieblichkeit.
Gluseppc Campori, Raccolta di eataloghi ed inventarii inediti dal secolo XV
al secolo XIX. Modena, tip. C. Vincenzi. B. pag. 712. (B. K. 2821.)
Herr G. Campari hat sich durch die Herausgabe der in dem vorliegenden Bande
gesammelten alten Kataloge und Inventarien ein wesentliches Verdienst erworben, dahin-
länglich bekannt ist, welchen Werth solche Kataloge für Museen und Gemäldegslerien
haben. Die Zahl der herausgegebenen Kataloge ist 52, der älteste ist vom Jahre M93,
der jüngste vom Jahre 1777. Jedem der Kataloge ist eine kurze Einleitung, dem ganzen
Werke ein Index der Künstlernamen beigegeben, die sich in diesen Katalogen vorfinden.
Ganz besonders wichtig scheinen uns die Inventarien der Sammlungen des Hauses Este.
E. Allhert, Tresor de PAbbaye de Saint-Maurice d'Agaune, Paris, A. Morel,
187D. 4. (B. K. 2826.)
'Der Schatz der Kirche des heil. Moritz zu Agaune (Agaunum) im Rhonethale ge-
niesst einer grossen' Berühmtheit. Die Abtei gehört zu den ältesten Südfrankreichs. Der
Tradition nach vorn heil. Theodor um das Jahr 360 gegründet, von dem burgundischeu
Könige Sigismuud restaurirt, fällt _ihre Bliithezeit zwischen die Jahre 515-1128. Der
Schatz der Abtei enthält eine nicht unbedeutende Anzahl von Stücken, die nicht blos ihres
archäologischen Werthes, sondern auch ihrer Kunstforni halber Beachtung verdienen. Zu
letzteren rechnen wir eine Aiguiere aus Geld mit cloisonirwm Email, zwei Ciborien (eines
aus dem 12., das andere aus dem 13. Jahrh.). Mehrere Gegenstände dieses Schatzes waren
im Musee retrospectif auf der letzten Pariser Weltausstellung ausgestellt. Das vorliegende
erste Heft enthält 15 Tafeln in 4. und einen eingehenden gelehrten Text (80 Seiten 4.)
aus der Feder des Herrn Aubert, dem die christliche Archäologie bereits ein Werk über
die Kathedrale von Bosta verdankt. Hoffentlich wird die Vollendung dieses schön ausge-
statteten Werkes durch die Zeitereignisse nicht unterbrochen.
G. W. K. liochuer, Die Personennamen in Albrecht Diirer's Briefen aus
Venedig. Nürnberg, bei F. Korn, 1870. (B. K. 2755.)
Dieses werthvolle Schriltchen enthält ausser werthvnllen Daten iiber Dürer's Wohn-
haus genaue Aufschlüsse über folgende, in dessen Briefen aus Venedig vorkommende
Personen: die Mutter, das Weib, der Bruder, der Schwäher, der Schwager, Statfan Paum-