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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 3)

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ist er ein Fragment. Im Zusammenhange mit ihm entfaltet er erst den 
ihm innewohnenden Kunstwerth. Je nachdem nun die kunstschöpferische 
Phantasie mehr auf den Körper oder mehr auf den Schmuckgegenstand 
gerichtet ist, entstehen wesentlich verschiedene Schmuckarten. 
Wir können bei Naturvölkern deren drei unterscheiden. Die erste 
Art ist die, wobei der Schmuck direct auf die Haut applicirt wird und 
daher unbeweglich ist, wie bei der Tätowirung, Narbenzeichnung und Be- 
malung. Hier hat die Phantasie vorzüglich den Körper im Auge, der zum 
unmittelbaren Träger der Verzierung wird, wie etwa der Griff eines 
Messers oder die Oberfläche eines Gefäßes. Von einem eigentlichen 
Schmuck-Gegenstand ist noch keine Rede. 
Die zweite Art ist eine solche, wobei sich der Schmuck zwar vom 
Körper trennen lässt, aber zu seiner Applicirung einen gewaltsamen Ein- 
griff in den Organismus erfordert. Das ist bei den Ohr- und Nasen- 
ringen, Lippenpflöcken und sonstigen Schmuckarten der Fall, die eine 
Durchbohrung von Körpertheilen zur Voraussetzung haben. Die künst- 
lerische Phantasie rechnet noch immer mehr mit dem Körper als mit 
dem Schmucke, es liegt aber bereits ein Schmuck-Gegenstand vor. 
Die Aufmerksamkeit ist schon auf fremde Objecte gerichtet, wobei aber, 
ähnlich wie im ersten Falle, noch immer von einer gewaltsamen Ein- 
verleibung mit dem Körper nicht abgegangen wird. 
Die dritte Art umfasst den vollkommen beweglichen Schmuck. Die 
Phantasie hat den Schmuckgegenstand und den menschlichen Leib 
gleichmäßig, aber getrennt vor Augen. Hieher gehören alle Arten des 
Schmuckes, die keine Verletzungen des Körpers bedingen, wie die ver- 
schiedenen Bänder, Ringe, Gürtel, Gehänge, Schmuckgegenstände des 
Haupthaares u. s. w. - Es liegt nahe, anzunehmen, dass diese drei 
Gruppen eben so viele Fortschrittsgrade von völliger Barbarei zu all- 
mäliger Gesittung in sich schließen und demgemäß auch eine zeit- 
liche Abfolge andeuten. Eine Umschau unter den Naturvölkern der 
Gegenwart l'a'sst jedoch ein solches Fortschreiten nicht mehr erkennen. 
Das Einzige, was sich noch feststellen lässt, ist das, dass beiden Stämmen 
auf primitivster Stufe die Bemalung des Körpers noch immer die wich- 
tigste und hervorragendste Schmuckart ist. Dagegen finden wir keinen 
einzigen Stamm, der nebst der unbeweglichen Hautverzierung, sei es nun 
Malerei, Tättowirung oder Narbenzeichnung, nicht auch beweglichen 
Schmuck besäße. -_ So bemalen sich z. B. die Eingeborenen Queenslands 
mit rother und gelber Farbe und tragen um den Hals Schnüre mit 
Stücken der Nautilus-MuscheP). Aehnlich verfuhren einst die nun aus- 
gestorbenen Tnsmanier. Die Feuerländer, deren wesentlichen Schmuck 
ebenfalls die Bemalung bildet, verschmähen nicht minder mannigfaltigen 
') Grosse, Anfänge der Kunsl, P- 87 5' ' 
Pßg- '53- 
- L u m h o I t z , Unter Menschcnfressern,
	        
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