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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1871 / 64)

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Bildes die Wand nicht berücksichtige. Die meisten Rahmen, zumal alle 
von mehr gewöhnlicher Art, erheben sich in ihrem Profil senkrecht von 
der Wand, ja sie sind wohl noch gar unterschnitten und auf dieser 
äussern Seite selbst vom Vergolder vernachlässigt. Dieses schroffe Auf- 
steigen des Rahmens von der Wand ohne alle Verbindung mit derselben 
ist für ein Auge, das auf plastische Decoration achtet, ganz unerträglich. 
Es muss der Rahmen nicht blos nach Innen in bewegtem Profil abfallen, 
sondern auch nach Aussen in entsprechender Weise sich absohrägen und 
so mit der Wand in Verbindung treten. Es ist das einzige Mittel, hier 
' das Auge zu beruhigen und für die Existenz des Bildes und des Rah- 
mens anf der Wand eine gewisse Motivirung, den Schein der Möglich- 
keit zu schaffen. 
In früheren Zeiten der Kunst, wo es um die Malerei wahrlich nicht 
schlechter stand, hat man so hoch heraustretende Rahmen niemals für 
nötbig gehalten. Wohl hat man sie breit gemacht und mit reichem Relief- 
ornament verziert, in der Barock- und Rococozeit auch damit überladen, 
niemals aber gedachte man das Bild einzukasteln. Es ist auch selbst 
vom Standpunkt des Künstlers aus Rücksicht auf die Isolirung kein zu- 
reichender Grund vorhanden, da das Gold für sich allein diese Absicht 
vollkommen erfüllt. Vielmehr sprechen Gründe für die Wand und Gründe 
für das Bild dafür, dass wir diese Gestaltung der Rahmen aufgeben und 
zu einer flacheren Bildung derselben wieder zurückkehren müssen. 
Auch gegen die Vergoldung, die heute als universale Nothwendig- 
keit gilt, hätten wir allerlei einzuwenden; nicht als 0b wir sie allgemeinhin 
für verwerflich hielten, sondern wir behaupten nur, dass sie nicht unter 
allen Umständen passt, noch zu empfehlen ist. Zwar für die Masse der 
modernen Bilder ist sie durchweg gut und sie thut in vielen Fällen das, 
was man von ihr erwartet, nicht blos durch den Anschein, sondern in 
Wirklichkeit, das nämlich, dass sie das Bild fertig macht. Die modernen 
Bilder sind durchweg greller in den Tönen, bunter in den Farben, 
starker in den Gegensätzen und. darum unharmonischer. Nun kommt 
mit seinem Scheine der goldene Rahmen und wirft den gleichmassigen 
Schimmer über die Gegensätze, sie gewissermassen versöhnend und mit 
diesem Einheitsschimmer in Harmonie bringend, wodurch eben der Ein- 
druck des Fertigen, der Vollendung entsteht. Ist das Bild aber schon 
an sich fein und harmonisch durchgeführt, warm im Ton und milde in 
den Gegensätzen, so kann ihm auch der goldene Rahmen schaden, indem 
er das Auge blendet und das Gefühl für die volle Feinheit und Schön- 
heit des Bildes abstumpft und unempfindlich macht. In dieser Lage 
befinden sich viele der alten Bilder. Von allen alten Bildern, deren 
charakteristischer Unterschied von den modernen eben in ihrer mehr 
ruhigen und harmonischen Haltung liegt, kann man sagen, dass alte oder 
gedämpfte abgetönte, goldene Rahmen für sie vortheilbafter sind, denn 
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