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Vorlesungen im Museum.
Die Vorlesungen, welche Herr Cnstes Falke an vier Donnerstag-Abenden (22. und
29. Decemher, 5. und I2. Jlinner) im Museum hielt, standen im organischen Zusammen-
hunge mit den Vorlesungen uns dem Winter 1869] 70: „Ueber die Anwendung der Gesetze
des Geschmacks auf Ausstattung und Schmuck der Wohnung und das Arrangement von
Tisch und Tafel." An die kritische Betrachtung der Gegenwart reihte sich die historische
der Vergangenheit. Eine förmliche Geschichte der Einrichtung menschlicher Wohnungen
von den ersten ornnmentnleu Versuchen an und mit genauer Verfolgung aller Wandlungen,
welche sich unter dem Eindusse der Entwicklung der Lehensbedürfnisse einerseits und des
Kuustgeschmackes anderseits vollzogen haben, wäre begreifiicher Weise über den Raum
weniger Stunden, aber such über die prnktischenglwecke, welche das Museum im Auge
hat, binausgegnngen. Der Vortragende beschränkte sich vielmehr darauf, die betredenden
Zustände auf der Höhe jener Epochen zu schildern, in welchen die Kunst überhaupt
eigenthümliche Ausdrucksformen, einen eigenen Styl besess, so dass der Statt" sich natur-
gprgdiiss in vier Abtheilungen: Alterthum, Mittelalter, Renaissance, Barock- und ltococozeit,
gi erte.
So wurde für die nntike Welt dns Hnus der römischen Kniserzeit als Beispiel ge-
wählt, in welcher der Bürger nicht mehr ausschliesslich den ödentlichen, den Stantszwecken
gewidmeten Gebäuden, sondern nnch der eigenen Wohnung künstlerischen Schmuck zu-
wsndte und jener eigenthiimliche griechisch-römische Styl zur Bliithe gelangte, welcher
uns in Pompeji und Herculunum noch lebendig gegenübertritt. Entsprechend der Stellung
der Frau und der Familie in dem socialen Leben der alten Welt wsndte das Hsus seine
dem Geschäfte gewidmeten Räume der Gasse zu. die Wohngcmiicber lngen rückwärts um
dcn Hof herum, von welchem sie ihr Licht empfingen und der selbst, mehr oder minder
bedeckt, zum Aufenthalt eingerichtet wur. In spliterer Zeit wurde dieser Hof, Atrium, dem
Verkehr mit Gästen und Clienten vorbehalten, der Herd wich sus demselben in die Küche,
die Pennten in das Sncnrium und fir des Familienleben wurde ein zweiter Hofgeschaifen,
griechisch Peristyl, römisch Cavädium. Zwischen beiden Höfen lag dann ein den Familien-
erinnerungen geweihtes Zimmer, das Tßhlinum, welches nach beiden Seiten nur durch
Vorhänge abzuschliessen wer.
Diese Grnppirung der Räume, die Möglichkeit verschiedener Ansichten und Durch-
sichten, was- von Bedeutung für die Decoration. Man wurde darauf hingewiesen, den
künstlerischen Schmuck der Säulen, Statuen, Wundmnleieien u. s. w. gleichmüssig zu ver-
theilen, bei dein einen Raume dessen Verhültniss zu den anderen im gemeinsamen
Bilde zu berücksichtigen. Man machte keinen Unterschied zwischen Zimmern, welche der
Repräsentanz dienen und den Wohnräumen; die Familie wollte selbst ihre Freude an der
künstlerischen Ausstattung haben, die dnher auch nur im Inneren nn finden ist, nicht an
der Ausesenseite des Hauses -- wie noch heutzutage im Orient.
Ohne bei der umständlichen Schilderung der pompejnnischeu Wsnddecorntion zu
verweilen, heben wir nur den prinrlpiellen Unterschied zwischen damals und jetzt hervor,
dass die Wandgemälde in der Wahl des Gegenstandes wie in der Ausführung, in der
Beleuchtung etc. eben auf die bestimmte Wand in dem bestimmten Raume berechnet, nicht
unabhängig von diesen in der Werkstatt des Künstlers entstanden waren wie unsere
Stutfeleibilder. Auch sls es Mode wurde, perspectivische Ansichten auf die Wände zu
malen und diese dedurch scheinbar in Siulengiinge, Reihe offener Zimmer u. s. w. zu
verwandeln, wurde die Architektur doch so phantastisch und luftig gehalten, dass der
Gedanke en beabsichtigte Täuschung nicht nnfkommt. Dagegen verfiel man bei deln
hlosaikfnssboden allerdings dem Widersinn, dcn Schein von Reliefs zu erzeugen oder den
Bewohner des Hnuscs auf menschliche Figuren u. dgl. treten zu lassen. Aue der Cistcvne
_in der Mitte der llöfe wurde nach und nach ein mit plastischer Zier ausgestatteter Brunnen
von Moos und Blumen umgeben, und an des Peristyl reihte sich wohl ein kleiner Gurten
mit Siiulengnng und Laube.
Der Heusrstb der Alten beschränkte sich auf des Nothweudige, die Wohnräume
vmren k" glich mit Möbeln nusgeslattet, auf deren Anwesenheit nuch die Wsnddocorutinn
keine Rücksicht nnhm. Die mnnnigfnchste Ausstattung hatten noch die Speisezimmer,
deren es in reichen Häusern verschiedene fiir die verschiedenen Jahreszeiten geb. Der
viereckige Speisetisch war auf drei Seiten von Polsterhiinken, 'l.'riclinien, umgeben, auf
deren jeder" sich drei Personen lagern konnten (an einer Mahlzeit sollten nie mehr Personen
als die Zahl der Musen und nie weniger als die der Grazien Theil nehmen), die vierte
Seite blieb für den auftmgenden Diener frei. Auf Seitentischen standen kostbare Gefiisse.
An Tische und Triclinien wurde viel Kunst verwandt; die ersteren bedurften, dn die Römer
bei Tische lagen, nicht nassen, daher nicht die Füsse unter dcn Tisch zu stecken brauchten,
keiner wcit vorspringenden Platte, der plastische Schmuck der nus Metall oder Holz ge-
bildeten Fiisse kam viel zur Geltung. Mit reicher Arbeit am Gestell und snlt kostbaren