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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1871 / 65)

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Bank mit beweglicher Lehne stand vor dem Camin. Auch finden sich auf alten Gemälden 
etageronartige Kästen flir Schmuck und Geriith, und Teppiche machten das Ganze behaglich. 
Ein Jahrtausend hatte die Welt nach dem Niedergangs des Alterthnms gebraucht, 
um nur die Wohnung der wohlhabenderen Lebenskreisc wieder auf einen Stand zu bringen, 
der mit einer bestimmten künstlerischen Physiognomie zugleich allen Ansprüchen eines 
auch physisch bcfriedigten Lebens, einer gereiften Gesittung und Bildung entsprach. Die 
Bliithe der Kunst, deren Träger es nicht verschmlhten auch fair die Decoration zu arbeiten, 
die Hübe der Geistesbildung, die Feinheit der Sitten vereinigten sich wenigstens in Italien 
mit der Entwicklung der politischen Zustände, den Sinn für schöne behagliche Hüuslichkeit 
zu nähren; der Fendaladel zog von den Burgen in die Paläste der Städte, der Bürger. 
den: die einstige politische Thiitigkeit entzogen war, entschädigte sich durch Comfort und 
Schmuck innerhalb seiner vier Pfähle. Die Führersehaft in Sachen der Cultur, der 
Kunst und des Geschmacks ging um diese Zeit von den nordischen Völkern wieder auf 
Italien über, die Gothik wich der Renaissance, die romantische Regellosigkeit in den Bau- 
anlagen der Symmetrie und der Harmonie zwischen Aeusserem und Innerem. 
Da die Fehden aufgehört hatten, waren die Befestigungen und Thiirme des einzel- 
nen Wohnsitzes iibertiiissig geworden, die Halle wurde zum Ahneu- oder Trophäen-real 
oder sank zum Aufenthalt der wartenden Dienerschaft herab oder verwuchs mit 'dem 
Stiegenhause in Eins. Klimatische Bedingungen liessen wohl gewisse Unterschieds 
zwischen Süden und Norden bestehen: dort Stein, hier Holz als Wandbekleidung und 
Fußboden, dort Wand-, hier Tafelgemiilde u. s. f., im Wesentlichen aber bestimmte Italien 
den Kunststyl und machte dagegen Concessionen an die Wohnlichkeit. 
Grosse Wandmalereien, Sculpturen n. s. w. schmückten die ödentlichen Gebäude, 
in den Privatpallistcn die Empfangs- und Bepräsentatiousriiume; in den Wohngemächern 
fanden in der Regel Malerei und Sculptnr nur noch an den Plafonds eine Stätte, während 
an den Wänden Vertiifelungen, Ledeß, Seiden- und Sammttapeten, reiche Draperien vor 
Thiiren, Fenstern nnd Betten, Teppiche nnd Decken, geschnitzte und eingelegte Möbel, 
Tufalbilder in geschnitzten Rahmen u. s. w. ein ebenso behagliches wie vornehmes und 
reiches Ensemble herstellten. 
Der Suche Holzplafond entwickelte sich mit grösserer Unabhängigkeit von der Balken- 
construction zu einem Cassettennetz, in natürlicher Farbe oder bemalt und vergoldet, mit 
Rosetten, farbigen Ornamenten oder figürlichen Gemälden gefüllt. Die Vergrüsseruug der 
Felder für bildliche Darstellungen führte endlich zur gänzlichen Ignorirung der Eigenthiim- 
lichkeit der Decke und der Behandlung derselben als Wand. Diese ganze Art der Badek- 
knng war in ihrer ernsten, gediegenen Pracht auf eben so ernst und gediegen ornanzentirte 
Wände berechnet. Anders der Stuccu, der verrnögc der Leichtigkeit der Bearbeitung ein 
gefährliches Material in den Händen der dem willkürlichen und Baracken znneigenden 
Künstler wurde und viel dazu beitrug, die farbige Ornamentation vom Plafond zu 
verdrängen. 
Die Holzverkleidnng der Wände, wenn auch in Italien in engeren Grenzen gehalten 
als im Norden, nahm dort die Formen des neuen Kunststyles an nnd wirkte damit auf die 
Gestaltung der Holzverkleidung im Norden zurück. Die Finlen, Baldachine, Consolen, das 
Masswerk der Gothik wurden abgelegt, die Einthcilung durch Hinzufügen von Quer-leisten 
zu den senkrechten reicher gemalht, die Felder mit Intursien oder auch Malereien, seltener 
mit Schnitzwerk gefüllt. Den Hanptwandsuhmuck bildeten aber immer die Gobelins, die 
epressten Iedertapeten u. s. w., die wieder langsam verdrängt wurden durch die Stadelei- 
gemiilde, welche so reich ausgestattete Wände nicht als Grund brauchen konnten. 
Eine Neuerung der Renaissancezeit waren die gepolsterten Möbel, neben denen sich 
übrigens auch die Kissen noch erhielten, welche im Mittelalter auf die Sitzmöbel gelegt 
zu werden pflegten. Die Sessel kamen allgemeiner in Gebrauch, die Banktruhe wurde 
von der Wand losgelöst, ebenso die Kästen und Schränke, welche sich nach architekto- 
nischen, aber dem Zwecke und dem Materiale angepassten Gesetzen selbstständig entwickel- 
ten, sich freier, schlanker nnd feiner gestalteten und mit plastischem und rnalerischem Or- 
nament auf's reichste belebt wurden. Dem entsprechend wurde auch das früher so schwer- 
flillige Himmelbett künstlerisch umgestaltet. 
Diesseits der Alpen, in Frankreich und Deutschland, begegnen wir demselben Bilde 
wie in Italien, aber in weniger feinen Formen und abgeblassten Farben. Das Partricier- 
haue der deutschen Reichsstiidte blieb kleiner, beschränkter. Dagegen erhielt die nordische 
Wohnung einen besonderen Reiz durch die allgemein gebräuchliche Glasmalerei, welche 
eben in Süd-Deutschland, am Rhein u. s. w. den grosssn Fortschritt machte von moesik- 
artig aus farbigem Glase zusammengesetzten zu wirklich gemalten Fenstern. 
Ferner trat in Deutschland und im ganzen Norden an die Stelle des Camins der 
Ofen, der, obwohl künstlerisch recht wohl verwendbar, doch gegenüber seinen: Vorginger 
etwas Bürgerliches, Unpootischee behält und nicht so naturgemäss den Mittelpunkt eines
	        
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