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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 77)

wechselnden Geschmack des Publicums fröhnt, hat die herrlichen Eigen-- 
schaften dieses fast von jeder Kunstperiode auf mancherlei Weise ausge- 
beuteten Materials beinahe völlig unbenützt gelassen und ist auf sehr 
handwerksmässige, geist- und formlose Behandlung desselben auf dem ein- 
fachen Wege des Drechselns beschränkt geblieben. F abriksmässig geschnitzte 
und gedrehte Knöpfe für Manchetten u. dgl., kleine Büchschen und Ne- 
cessaires, Fingerhüte für die Frauenhandarbeit, ferner kleine, noch ganz 
im Geiste der Barocke gehaltene Crucif-ixe und ein gewisses Genre durch- 
brochener Arbeit, das ist so ziemlich alles, was in mechanischer, bedeu- 
tungsloser Fabrication auf diesem Gebiete hervorgebracht wird. Zu den 
Griffen von Spazierstöcken und ähnlichem ersieht man sich gemeiniglich 
die sowohl im Gegenstand als in der Form unpassendsten Süjets, Thiere, 
ganze kleine Jagden, und alles recht eckig und stachlich , wo doch die 
Hand bequem aufruhen und fassen soll. Jene durchbrochenem Arbeiten, 
zuweilen mit sehr grossem Fleiss in der Technik ausgeführt, sind haupt- 
sächlich bei Fächern, kleinen Dosen, Brochen u. dgl. in Anwendung, 
haben jedoch nicht etwa die derartigen Leistungen der Chinesen und Japa- 
nesen zum Vorbild, welche uns darin wohl Lehrer sein könnten, sondern 
enthalten meist naturalistische Blumenkränze, Thiergruppen, selbst Land- 
schaften. Wenn wir von einer kleinen Madonna mit dern Kinde, ausge- 
stellt vom Bildhauer Rud. Sagmeister in Wien, absehen, die im Geiste 
der modernen Malerei gehalten, jedoch durchaus lobwürdig, sehr zierlich 
geschnitten in einem lichthäuschenartigen Gehäuse von Holz gefertigt ist, so 
begegnen im übrigen lauter Werke, welche sich an den Styl vergangener 
Jahrhunderte anschliessen. Die Mehrzahl davon rühit von Anton Vogel, 
Drechsler und Bildhauer in! Wien, her und gehört zu dem gediegensten, 
sowohl was die Arbeit, als was die Beachtung des Styles belangt. Der 
Künstler, welcher auch Restaurator alter Elfenbeinschnitzwerke ist, hat 
sich, das sieht man sogleich, mit vielem Eifer in den Styl des Zeitalters 
hinein gearbeitet, welches die Glanzperiode unseres Kunstzweiges war, 
in jenes Genre, das vom Schlusse des 16. Jahrhunderts bis in die Acht- 
zigerjahre des nächsten Säculums andauerte und, vorzüglich an den Für- 
sienhöfen Baiern's, Sachsens, in Wien und in den Niederlanden gepflegt, _ 
wundervolle Sculpturen im Geiste der späteren Renaissance an den Tag 
förderte; welches vertreten ist durch Künstlernamen wie Algardi in Rom, 
Giovanni Pozzo, Quesnoy-Fiammingo, Christoph Angermayer und Johann 
Rauchmüller. Vogel hat sich in seinen Compositionen der ausgestellten 
Gefässe, zwei hohe Kannen, ein silbermontirtes Trinkhorn und der Mantel 
eines Pocals, liebevoll an die Schöpfungxn dieser Meister gehalten. Wir 
finden da jene bacchantischen und sonstige mythologische Scenen in der- 
selben dichtgedrängten Anordnung wieder, welche kein Fleckchen flachen 
Grund übrig lässt und das Geräth factisch mit einem Knäuel von Leibern 
ummauert, jene üppigen und etwas gedrungenen nackten Gestalten, wel- 
che das glatte, glänzende Material eben so trefliich wiedergibt. Die etwas
	        
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