tischen Lehre und Unterweisung ein- für allemal zu Ende, und der reine Bazar, der einen
Weltmarkt hält, ist übrig geblieben.
Aber wir sind mit den gebrochenen Principien noch nicht zu Ende. Ich habe schon
angedeutet, dass bei dieser Ausstellung der Begritf der nschönen Kunst: in einem sehr
Weiten Sinne genommen ist, in einem solchen nämlich, dass er nicht blos Plastik, Malerei,
Architektur mit ihren Nebenkünsten begreift, sondern auch alle ornamentirten Gegenstände
der Industrie hineinzieht, also alles umfasst, was wir als Kunst und Kunstindustrie zu-
summen bezeichnen wurden. Theoretisch mag das eine Ansicht sein, so gut wie eine
andere, praktisch stösst man damit aber auf Unzukommlichkeiten, wie eben diese Aus-
stellung lehrt. Indem diese Scheidung namlich das ganze Gebiet der Fabricate einerseits
in Kunst, andrerseits in Industrie eintheilt und den BegriII der Kunst in der angegebenen
Weise ausdehnt, bleibt von Rechtswegen für die Industrie nichts übrig, als die reinen
Nützllchkeits- oder Gebrauchsgegenstände, die weder durch die Verzierung noch durch die
Form ein Element der Schönheit, also ein Zeichen der Kunst erhalten zu haben. So ist
cs aber nicht gemeint, wie die Ausstellung dieses Sommers lehrte. Die Gruppe, welche als
die erste im Turnus für dieses Jahr zur Ausstellung gelangt war, umfasste die gesammten
Poterien, also; Porcellane, Fayencen, unglasirte Terracotten und die Wollfabricate, aber nicht
blos die unverzierten, sondern eben alles, von den einfachsten Gegenständen bis zur hoch-
sten und reichsten Kunstwaare hinauf. Die Abtheilung der schonen Kunst dagegen enthielt
ausser dem, was ihr gebührt, auch Kunstindustriegegenstinde jederArt, als da sind Mobel,
Schnitzereien, Glaswaarcn, Spitzen, Stickereien und Gewebe, Meerschaumpfeifen, Bronzen.
Gold- und Silberwaaren, Juwclierarbeiten, auch Poterien, und zwar genau dieselben,
wie sie in der lndustrieabtheilung zu sehen waren. In dem nächsten Jahre wechseln nun
die Gegenstände, und alsdann erheben sich folgerecht die Poterien und Wollgewebe in
das Reich der schönen Kunst und die für das nachste Jahr berufenen Werke des Gold-
schmieds und Juweliers, die für dieses Jahr die hohe Ehre als schone Kunst genossen
haben, steigen in das gemeine Gebiet der Industrie herab. So kann sich kein Zweig vor
dem andern beklagen, an jeden kommt die Reihe der Degradation und er wird zufrieden
sein, wenn cr neun Jahre als Kunst und ein Jahr als Industrie gilt.
Zum Unglück für diese Ausstellung kommt nun noch ein völlig unangemessenes
Local hinzu. Es mag als billig erscheinen, dass die Commission von einem so kolossalen
und theuren Gebnude absah, wie sie die grossen Weltausstellungen gehabt haben, Gebäude,
welche die Ursache des finanziellen Fiasco waren; aber da sie sich ja auf eine immer-
tvahrcndc Ausstellung einzurichten hatte, so wäre es doch wohl in der Ordnung gewesen,
ein einigermassen praktisches und solides Gebäude aufzuführen, das nicht an allen Ecken
und Enden den Charakter des Provisoriums, den Charakter der Dütftigkeit und der voll-
ständigen Abhängigkeit von anderen Verhältnissen zeigte. Man benutzte einige vorhandene
Gebäude, die an dem grossen Garten der königlichen Gartenbaugesellschaft gegenüber
dem Kensington-Museum liegen und zum Theil noch von der Ausstellung von x86: her-
rühren, erweiterte die Arkaden, die sich an den Langseiten dieses Gartens heraufziehen,
und erbaute über ihnen Oberlichtsäle, verband diese Raume durch überaus schmale, bret-
terne Corridore und hölzerne Stiegen, arbeitete sich in ähnlicher Weise in das kolossale
Gebäude der Albert-Hall oder vielmehr in ihre Nebenraume hinein, welche zur Ausstel-
lung hinzugezogen wurden, und erhielt auf diese Weise allerdings eine geeignete Anzahl
Räume, aber von welcher Art und Beschaffenheit! Anstatt nach Möglichkeit concentrirt zu
sein, wie es die Sache erfordert, ziehen sie sich um einen immensen Garten herum und
ermüden den Besucher durch die weiten Entfernungen, welche ihm nicht ohne besondere
Bezahlung durch den Garten hindurch abzukürzen erlaubt war; Und nicht einmal geht es
fort auf ebenem Boden, sondern Trepp auf und ab, ja bei der Albert-Hall selbst in die
Höhe des dritten oder vierten Stocks, und anderswo, wo sich die Gartenbaugesellschaft
ihre Räume reservirt hatte, selbst unter die Erde hindurch. Ohne einen solchen Keller-
gang wäre eine Verbindung gar nicht möglich gewesen. Für solche Unbequernlichkciten
entschädigte vielleicht in gewissem Sinne der Blick von den oGenen Terrassen herab über
den reizendenGartcn, der im schönsten Grün prangte und mit seinen terracottengeschmucltten
Arkadenrcihen, mit seinen Wasserspiegeln, dem grossen Palmenhause, und der riesigen
Albert-Hall dahinter, welche den Abschluss machte, einen entzückenden Anblick bot.
In höherem Grade noch musste für die Unbequemlichkeiten des Raumes und die
anderen Uebelstande, welche die Fehler und Irrthumer der Commission geschahen
hatten, die Güte und das Interesse der Gegenstände selbst entschädigen. Zwar wer auch
nur auf dem partiellen Gebiete, welches dieses Jahr zur Ausstellung gelangt war, eine
universale Vollständigkeit erwartet hatte, der sollte sich allerdings getauscht finden. Alle
waren wohl eingeladen aber wenige gekommen. Die Einen mochte die Ungunat der Zeiten,
welche zwei der ersten Industriemächte im Kriege gebunden hielt, am Erscheinen verhin-
dert haben, Andere misstrauten vielleicht dem Programm dieser Ausstellung, das sich nicht
eben durch Klarheit und Vorzüge auszeichnete und auch gerade nicht, wie wir gescheit
haben, mit Klarheit und Consequenz durchgeführt werden sollte. Sie waren wohl ge-