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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 83)

liche Stufe zu bringen. Die Schulen wurden mit vortrefflichen Modellen 
und Werkzeugen ausgerüstet, Spitzenerzeugung und Battistweberei gleich ' 
sorgfältig betrieben. Der Sitz der Schule war Wien, bestehend aus einer 
Musteranstalt mit mehreren Schulen in den Vorstädten. Das Probestück 
der in diesem Institute unterrichteten Mädchen, welche dann nach den 
Industrieorten Böhmens abgehen sollten, und welches dieselben bei ihrem 
Austritte 1810 anfertigten, war eine grosse Couvertdecke, mit Apoll und 
Daphne, die 14 Tage öffentlich ausgestellt, dann aber in der Schatzkam- 
mer deponirt wurde. Drei Jahre später bestanden in Grasslitz, Ellbogen 
und Joachimsthal Schulen, welche von 32 in Wien gebildeten Mädchen 
als Lehrerinnen geleitet wurden. 
Das Wiener Institut bestand indessen wieder nicht lange, es wurde 
aufgehoben; die Leiterin aber, Charlotte von der Cruyce, erhielt alles 
Geräthe unentgeltlich und überdies einen Vorschuss von 60.000 H. W. W., 
mit der Bedingung, in Böhmen fortzusetzen, was in Wien begonnen wor- 
den war. Im Jahre 1817 eröffnete man im St. Galli-Kloster in Prag eine 
Hauptspitzenschule, der die Gebirgsschulen untergeordnet wurden. 
Mit besonderer Sorgfalt suchte man dem Verfertigen von Reseaux, Plats 
und Points in den Klosterschulen und -Instituten Eingang zu verschaffen. 
Da kam das Theurungsjahr 1817 und vernichtete alle Aussichten, nach 
demselben wurde eine Organisation der Spitzenschulen abermals in An- 
griff genommen. 
Schlimmer als Krieg und Hungersnoth waren die Verhältnisse, welche 
darauf in den Zwanziger und Dreissiger Jahren die erzgebirgische Spitzen- 
industrie schädigten: der Einfluss der Maschinenarbeit auf die Handarbeit, 
welche derselben nicht nur das Gebiet immer mehr schmälerte, sondern 
auch auf das, was geblieben war, verschlechternd einwirkte. Material und 
Muster wurden immer werthloser, verloren an Güte und Schönheit, die 
Massenproduction, die' Anwendung des durch Dampf getriebenen Webew 
und Bobbinetstuhles mussten zum Ruine der Hand- und Einzelarbeit 
führen. Die Klöpplerin fertigte 4-5 Maschen in der Minute, die Ma- 
schine zu gleicher Zeit 30.000; die einfacheren Erzeugnisse werden durch 
sie 10-15 Mal billiger geliefert, vier Bobbinetstühle ersetzen die Arbeits- 
kraft sämmtlicher im Erzgebirge beschäftigten Menschen. Schon 1831 
arbeiteten in England 5000 solcher Maschinen, die 30 Millionen Yards 
Spitzen producirten und diese Fülle von Fabriksarbeit überschwemmte 
nun den europäischen Markt, die Folgen waren für die deutsche Industrie 
die traurigsten. 
Nur eine Rettung scheint für dieselbe denkbar. Mit Englands Ma- 
schinenmacht zu concurriren, wird sich das arme kleine Ländchen nicht 
einfallen lassen, mehrere Versuche der Adaptirung dieser Productionsweise 
waren von einem traurigen Ausgange. Der Weg, welcher jetzt nur ein- 
geschlagen werden kann, ist die Absicht, die englische Massenproduction, 
deren Quantität die heimische erdrückt hat, durch die Qualität zu be-
	        
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