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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 87)

lehnte Stoffe in dem vollendeten Vasenstyl eine feinere und edlere Durch- 
bildung. Es ist uns, als wenn wir das ganze Leben und Treiben der 
Menschen aus jenen goldenen Tagen der Kunst in seiner vollen heiteren 
Ungebundenheit und geisterfüllten Grazie vor unseren Blicken wieder 
auferstehen sähen. 1 ' 
ll. 
Wir hatten uns von den bemalten Thongefässen attischer Fabrication 
eine Gattung für die spätere Betrachtung aufgespart, welche sowohl durch 
die Eigenartigkeit ihrer Technik, als durch den hohen künstlerischen Reiz 
und die feine Beseelung ihrer Darstellungen ein ganz besonderes Interesse 
erwecken: nämlich die Vasen und zwar namentlich die sogenannten Le- 
kythen mit farbigen Malereien auf weissem Grunde. 
Schon im fünften Jahrhundert vor Christo, zur Zeit der Herrschaft 
des früher geschilderten strengen Styls der Vasenbilder, kommen neben 
den üblichen Gefässen mit rothen Malereien auf schwarzem Grunde auch 
solche Vasen in grösserer Anzahl vor, welche, sei es an einzelnen Theilen, 
z. B. im Inneren der Schalen, sei es durchwegs, diese veränderte Technik 
zeigen. (Beispiele mit voreuklidischen Inschriften bei Benndorf, 'Gr. u. 
sicil. V. pag. 25.) Die weisse Grundirung allein (statt der rothen) kommt 
auch bei schwarzügurigen Vasen häufig vor. (O. Jahn, Einl. pag. cLxxn 
u. B.) Und man kann annehmen, dass ihre Anwendung noch in ein 
viel höheres Alter zurückreicht. Denn im Grunde genommen handelt es 
sich hier um ein sehr primitives Verfahren, welches die Griechen und 
ebenso auch die orientalischen Völker bei ihrem Thongeschirr und bei 
mannigfachen plastischen Arbeiten, z. B. den kleinen Terracottafigürchen 
und Reliefs, zu allen Zeiten angewendet haben. Der Thon wird bei diesen 
Gefässen nach dem ersten Brennen mit einem Ueberzug von weissem 
Kaolin oder Pfeifenthon versehen, und darauf dann entweder eine schlichte 
Contourzeichnung oder Malerei in hellen, meistens rothen, violetten, 
blauen oder bräunlichen Farben aufgetragen. Ueber die näheren Umstände 
bei der Procedur, namentlich über das Bindemittel und über die färben- 
den Substanzen, sind wir noch nicht hinreichend unterrichtet. Jeden- 
falls aber scheinen die Malereien bei einem etwaigenzweiten Brennen 
keiner grossen Hitze mehr ausgesetzt worden zu sein, da sie sich, wie 
ja auch die meisten ursprünglich bemalten Terracottafiguren, fast durch- 
wegs in einem Zustande starker Verwitterung finden. Oft siebt man auf 
dem Kaolingrunde gar keine Zeichnung mehr, vielfach ist auch der 
Grund selbst angegriffen. Semper (Stil, II, 146 H.) fand, dass die Farben- 
Spuren an den von ihm untersuchten attischen Marmortempeln (Theseion, 
Parthenon etc.) aus derselben, wie er sich ausdrückt „ambraähnlichen, 
mehr oder weniger opaken Paste" bestehen, wie die enkaustischen Ma- 
lereien der weissgrundirten Thongefässe, und nimmt es für die meisten 
Fälle als ausgemacht an, dass der Pfeifenthongrund nicht ganz weise 
blieb, sondern mit einer jetzt verschwundenen Lasur an die. lebhaften
	        
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