gehens aller Kenntniss von der geschichtlichen Entwicklung dieser Kunst-
thätigkeiten, das Falsche, die moderne Verirrung für den Gipfel der Voll-
kommenheit hält und preist, für die thatsächlichen Schönheiten jener
Techniken dagegen ohne Verständniss ist. Die Anbringung zahlloser, fein
nüancirter Schattentöne, selbst die im Grunde doch immer dürftig bleibende
Nachädung der Farben der Natur oder des Gemäldes in Schnitten und
Stichen, die Abtönung der Luft etc. - solche Kunststückchen, die im
Laufe der Jahrhunderte sich allmälig an die alte einfache Weise des
16. Jahrhunderts anschlossen und dieselbe schliesslich zu überwuchern im
Stande waren, die gelten noch so vielen für Kunst, für den höchsten
Triumph, mit ein bischen Druckerschivvärze beinahe den Anschein von
Malereien hervorzurufen. Es ist das jener Geschmack und jene Logik,
welche ein Geschöpf der Thierwelt etwa lieber statt in seinem schönen
natürlichen Gange, in der Nachäffung höherer Ordnungen, also Pferd
oder Hund lieber auf zwei als auf vier Beinen spazieren gehen sieht. Hat
doch auch jede Richtung der Kunst, wie jede natürliche Schöpfung (die
sie im weitem Sinne ja ebenfalls ist), ihre Grenze, ihr Mass, deren Ueber-
schreiten, sei es auch mit den reichsten Mitteln zuwegegebracht, zum
Verfall, zur Verirrung führen muss. Und nicht weniges von dem, was
heute im Holzschnitt und Kupferstich geleistet wurde, verdient, dass dieses
Urtheil darüber ausgesprochen werde.
Dass in der Fluth der enormen Production moderner Illustrationen
unserer Zeitschriften und Bücher, ferner in ihrer handwerksmässigen, zum
Theil in der That wirklich schon mit Maschinen bewerkstelligten Fabri-
cation kein Fortschritt errungen sei, dass der Styl, die Manier derselben
fast ohne Ausnahme eine grundfalsche, verwerfliche sei, dass es eine Zeit
gab, in der in Deutschland namentlich kaum eine geringere Anzahl Illu-
strationen, und zwar in einem vollendeten Style, hergestellt wurden, das
soll die Ausstellung zeigen; sie soll zum Vergleichen auffordern und jene
wenigen Blätter der jüngsten Zeit, welche da blos zur Warnung aufge-
stellt sind, diese traurigen Nebenbuhier des Oelgemäldes oder der Hand-
Zeichnung, der stattlichen Schaar alter Holzschnitte seit dem 15. Jahrh.
gegenüber halten, die ihre Schönheit, ihren Preis in den einfachen Grenzen
suchten, wo sie allein begründet sein können und durch die Natur der
Sache geboten sind.
Aber noch in einer zweiten Richtung soll dio Ausstellung belehrend
wirken. Die Anordnung, welche in dieser ersten Abtheilung getroifen ist,
hat zunächst den Zweck, in fortlaufender Reihenfolge sämmtliche Haupt-
techniken, jegliche wieder nach ihrer historischen Entwicklung, vom frü-
hesten zum spätesten, dem Blicke vorzuführen. Es wird dadurch nicht nur
ersichtlich, wie die höchste Meisterschaft allmälig aus der Vervollkomm-
nung ganz roher, selbst unbewusst vorgenommener Versuche sich heraus-
gebildet hat, sondern es ist auch das technisch-mechanische Verfahren
mehrfach durch Repräsentation der einzelnen Zustände des Werkes in seiner