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der Untersuchung von Erzeugnissen, die in größerem oder geringerem
Grade auf Täuschung berechnet sind, manche Aeußerung'mndernen
Kunstfleißes würdigen lernt, die unerkannt fortbesteht und nur der
fremden Flagge den ihr entgegengebrachten Respect verdankt.
Neben den unzweifelhaft echten Stücken haben hervorragende, ge-
lungene Falsificate als Vergleichsobjecte sein Studienmaterial zu bilden,
und es ist daher das bewusste Sammeln und Ordnen
charakteristischer Typen von Nachahmungen aller Art nur
eine Frage der Zeit.
Auch für bloße Liebhaber empfiehlt sich ja schon die comparative
Methode, das Studium der echten neben den nachgeahmten Arbeiten.
Möchte doch jeder Sammler einen Winkel reserviren für Falsificate
vollkommenster Art, nicht etwa für plumpe Nachälfungen, durch die ja
ohnehin kaum Jemand getäuscht werden kann.
Desgleichen wäre Stücken unbekannter oder im Augenblicke nicht
vollkommen sicher zu bestimmender Provenienz mit Nutzen unter allen
Umständen Gastfreundschaft zu gewähren.
Manches wichtige, ja unschätzbare Stück wäre vielleicht heute die
Zierde irgend eines Museums, wäre es nicht voreilig der Verwahrlosung,
ja dem Untergange geweiht worden, ganz allein aus dem Grunde, weil
ihm der Geleitbrief einer Tradition oder das unsichere Zeugniss einer
Marke mangelte.
Es ist selbstverständlich, dass die Methoden zur Untersuchung kunst-
gewerblicher Objecte nichts weniger als einfach sein können. Auf die
hiebei in Frage kommenden Hilfswissenschaften braucht nur kurz hin-
gewiesen zu werden: auf die Cultur- und Kunstgeschichte, die allgemeine
und specielle Stilgeschichte, die Costlimlehre, der die Kunde von der
Entwicklung der Waffen, des Hausrathes, der Möbel, Gefäße u. s. w.
einzubeziehen ist, das Studium der Ornamentik, nicht minder der Paläo-
graphie, der Heraldik u. s. w. Was diese Disciplinen auch dem gebildeten
Laien als Sammler nützen, braucht nicht hervorgehoben zu werden.
Speciell dem Fachmanne stehen noch weitere Aufklärungsmittel zu
Gebote, die ich in ihrer Gesammtheit als zur Physiologie der kunst-
technischen Erzeugnisse gehörig bezeichnen möchte. Die gründliche
Kenntniss der Materialien, nicht weniger der verschiedenen Methoden
ihrer Verarbeitung, der Technologie der Kunst in ihrer historischen Ent-
wicklung. Ueber die Fragen der verwendeten Materialien, ihrer Färbung
und sonstigen theilweisen oder totalen Substanzveränderung gibt die
Chemie gar oft die unervrartetsten Aufschlüsse. Ueber die Natur gewisser
animalischer und vegetabilischer Körper belehrt den Sammler das Mikro-
skop. Physikalische Erscheinungen an den zu untersuchenden Gegen-
ständen geben auch bei makroskopischer Betrachtung oft mit Sicherheit
Aufschluss über anscheinend der Erforschung ganz Unzugängliches.