ÄL
der Südtiroler Frescantenschule ging der bedeutendste mittelalterliche Alpenkünstler und
hervorragendste, dem Namen nach bekannte Meister des österreichischen Mittelalters über-
haupt, Michael Facher, hervor. Vom Haus aus Maler, unterhielt er in seiner Heimat-
stadt Bruneck eine in den bayerisch-üsterreichischen Gebirgslanden rasch zu Ansehen
gelangte Werkstatt für kirchliche Kunst, in der er den plastischen Schmuck der von ihm
in Accord übernommenen Altare durch eigene Bildschnitzer nach seinen Zeichnungen und
unter seiner Oberleitung herstellen ließ. Dieser Vorgang, welcher der damaligen Uebung
in den süddeutschen Malerwerkatatten entsprach, wird bestätigt durch die Verschiedenheit
der Schnitzarbeit an den einzelnen Altaren Pacher's, deren vorzüglichste Gemälde dagegen
auf eine und dieselbe Hand zurückgehen. Auch an den großartigen Sculpturen des Haupt-
werltes des Pachefschen Ateliers, des berühmten, in den Jahren 14.77 bis X481 verfer-
tigten Hochaltares von St. Wolfgang rührt - entgegen der herrschenden Ansicht -
nur die Grundidee und die Bemalung der Statuen von dem verantwortlichen Meister her.
Ausgeführt wurden sie von einem unbekannten Südtiroler Schnitzer und dessen Gesellen.
Ebenso ergibt die Stilbetrachtung der Gemalde des Altares eine genaue Scheidung des
persönlichen Antheilea Michael Pacher's von dem seines Bruders Friedrich und zweier
anonymer Nebenmeister. Michael Pacher's Starke liegt einerseits in der Composition und
Charaltterschilderung, andererseits in seiner perspectivischen Meisterschaft, vor Allem
einer virtuosen Architelrturmalerei, sowie in der plastisch-anatomischen Darstellungsweise
der menschlichen Gestalt, die er im Anschlusse an Mantegna und die veronesische Schule
ausgebildet hatte. Durch diese Vorzüge ist er seinen oberdeutschen Zeitgenossen urn
mehr als ein Menschenalter voraus, wie denn der Wolfganger Altar in seiner Vereinigung
von Schnitzwerlt und Malerei sich als das maßgebende Denkmal der ganzen süddeutsch-
alpinen Kunstentwicklung im ausgehenden Mittelalter darstellt. Der Vortragende illustrirte
seine Ausführungen durch eine Auswahl von Probedruclten aus einer umfassenden Publi-
cation des Wolfganger Altares, die er mit Unterstützung des Unterrichtsministeriums vor-
bereitet.
Am 17. December hielt Custos Wendelin Boeheim einen Vortrag aDer Verein
für historische Waßenkundeu. Der Hauptinhalt dieses Vortrages ist an anderer Stelle
wiedergegeben,
Litteratur - Bericht.
Werkbuch des Decorateurs. Eine Darstellung der gesammten lnnendeco-
ration und des Festschmuckes in Theorie und Praxis. Von Ferdinand
Luthtne r. Vollständig in 15 Liefergn. a t Mark. Stuttgart, Berlin,
Leipzig. Union, Deutsche Verlagsgesellschaft.
Als Fortsetzung des im Jahre 1886 erschienenen uWerkbuch des Tapeziersn ist
das vorliegende Buch sowohl für den Fachmann als Architekten, Decorateur oder Tape-
zier, als auch für den für Decorationskunst sich interessirenden Laien gedacht, Mit
Recht legt der Verfasser großes Gewicht darauf, dass gerade der Consument der Deco-
rationskunste, der seine Wohnraume ausstattende Privatmann einen gelauterten Geschmack
sich erwerben moge, denn gewiss gilt der Satz zu Recht: v-Sage mir, wie Du wohnst,
und ich sage Dir, wer Du bistu. Nicht minder müssen wir dem Verfasser beipflichten,
wenn er behauptet: 1- Keine ästhetischen Vortrage vermbgen in der heranwachsenden
Generation die Fähigkeit zum Genusse des Schonen so intensiv zu wecken, wie jener
ununterbrochene Anblick des Wohlgeordneten, den eine nach den Gesetzen des guten
Geschmacks gescliaifene Wohnungseinrichtung unbewusst von Jugend auf gewahru
Der Inhalt des Buches, von dem bis jetzt sieben Hefte vorliegen, soll eine vom
Standpunkte des Decorateurs behandelte Unterweisung über den inneren Ausbau der
Wohnung enthalten, welche in zwei Hauptabschnitte zerlegt ist, t. in die Decoration
in der Hausausstattung, und 2.. in die Fest- und Gelegenheitsdecoration. - Von den
zahlreichen Illustrationen des Buches, welche durch Wechsel der Darstellungsweise
und des Maßstabes ihre verschiedenartigste Herkunft kennzeichnen, vermögen wir
so manche nicht als vorbildlich anzuerkennen, so namentlich nicht das sogenannte
.Herrenzimmer- einer Villa im Taunus, und die verschiedenen lnlerieurs aus Frank-
furter Villen. welche letztere theils nuchternste Detßrltionsweise, theils die auf Seite 51
des Buches gekennzeichneten, unrnotivirten Tapeziers-Kunststücke zeigen. H-e.