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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 1)

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modernen Kunst hat dieses Wunder bewirkt: die Malerei und die mit 
ihr unmittelbar zusammenhängenden Gebiete, d. s. die sogenannten verviel- _ 
fältigenden Künste, insbesondere die Radirung. Man sagt: heute gibt es 
wieder eine moderne Malerei, d. h. eine Malerei, die von allen früheren 
Erscheinungsformen derselben, von der Malerei aller früheren Stilperioden 
sichtlich und unverkennbar verschieden ist und daher als der echte und 
specifische Ausdruck und Repräsentant der modernen Culturperiode im 
bildenden Kunstschaflen gelten darf. Anders aber stünde es, behauptet 
man, mit anderen Künsten, die wir ebenso, wie die Malerei, zu den bil- 
denden zählen. Die Architektur und das von ihr abhängige Kunstgewerbe 
ließen jene Originalität noch vermissen. Und zwar fehlte es dabei nicht 
so sehr nach der structiven, technologischen Seite; die moderne Zeit hat 
vielmehr auf jenen Gebieten vielfach neue, bisher unbenützte Materialien 
und in Folge dessen auch neue technische Proceduren in Verwendung 
gebracht. Der Mangel läge gerade nach der rein künstlerischen, der deco- 
rativen Seite; hierin meint man den adäquaten Ausdruck für das moderne 
Kunstempfindeu noch nicht gefunden zu haben. - Wie haben wir uns 
nun dieses auffallende Zurückbleiben der modernen decorativen Kunst 
hinter der modernen Malerei zu erklären? 
Um diese Frage beantworten zu können, wird man vor Allem die 
weitere Frage aufwerfen müssen, auf welche Weise die siegreiche, moderne 
Malerei zu Stande gekommen ist. Auch sie ist nicht vom Himmel ge- 
fallen, sondern hat an historische Vorstufen, an frühere Leistungen der 
menschlichen Culturgesellschaft angeknüpft. Gerade was die moderne 
Malerei schon äußerlich von derjenigen der ersten Hälfte unseres Jahr- 
hunderts unterscheidet: die zugleich realistische und rein malerische Auf- 
fassung, dann der völlig breite und freie Vortrag, das sind auch die wesent- 
lichen Charakterzüge einer früheren Entwicklungsstufe der Malerei: der- 
jenigen des Barockzeitalters. Rubens, Rembrandt, Velasquez sind die Meister, 
die bei der Geburt der modernen Malerei Gevatter gestanden sind und denen 
diese wenigstens in ihren ersten Entwicklungstadien welche von den 
besten und fruchtbarsten Anregungen zu verdanken hatte. Wenn nun 
das Studium der Barockkunst auf dem Gebiete der Malerei wo nicht 
geradezu zum Ausgangspunkte, so doch gewiss zum Anknüpfungspunkte 
einer neuen fruchtbaren Schaffensperiode geworden ist, warum soll es sich 
nicht auch für die moderne Architektur und das moderne Kunstgewerbe 
mit gleichem Erfolge verwerthen lassen? Das ist der Punkt, in dem sich 
mit der Betrachtung der Barockkunst, obzwar sie schon längst der Ge- 
schichte angehört, auch ein modernes Kunstinteresse zu verknüpfen 
scheint. Wenn wir uns darüber klar machen, wie die Stellung des Deco- 
rativen im Barockstil beschaffen gewesen ist, erhalten wir zugleich Auf- 
schluss über dasjenige, was der Barockstil diesbezüglich dem modernen 
KunstschalTen zu bieten hätte und des Weiteren auch über die Frage, 
ob diese: Angebot geeignet wäre, die moderne, decorative Kunst zu der
	        
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