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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 2)

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halrig unser modernes Zeitgeschlecht bewegt hat; vielleicht, ja wahr- 
scheinlich eben darum, weil seine Kunstweise noch immer an die Italiener, 
die unverbesserlichen Idealisten, erinnert. Die ungetheilte, grenzenloseste 
Bewunderung hat dagegen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren Diego 
de Silva Velasquez gefunden. Wäre das Stoffgebiet des Velasquez nicht 
ein verhältnissmäßig"beschränktes gewesen, hätte er die Historienmalerei, 
auf deren Gebiete er blos die Uebergabe von Breda im Prado-Museum 
hinterlassen hat, in umfassenderem Maße gepflegt, er wlirde wahrschein- 
lich heute widerspruchslos von allen Nationen, nicht blos von den Spa- 
niern, ftir den größten Maler aller Zeiten und Völker angesehen werden. 
An künstlerischem Naturalismus, d. h. an Schärfe der Beobachtung der 
Naturerscheinungen und an Kraft zur charakteristischen Wiedergabe des 
Beobachteten im Bilde, kommt ihm keiner seiner Rivalen gleich. Von 
seinen Porträten sagten schon seine spanischen Zeitgenossen, sie ent- 
hielten bverdad, no pinturau, Wahrheit und nicht Malerei. Dieses Urtheil 
-hat die moderne Forschung, unser moderner Geschmack vollständig rati- 
ficirt. Velasquez war dabei nur Spanier und nur Naturalist: er malte 
nichts als seine spanische Umgebung; und selbst wo er, wie z. B. während 
seiner beiden italienischen Reisen, eine fremde Umgebung darzustellen 
hatte, erfüllt er sie mit spanischem Geiste, bleibt er von der Kunstweise 
jenes fremden Landes unberührt. In der Kunst des Velasquez Findet sich 
also keine wesentlicheBeimischung italienischer idealistischer Kunstelemente. 
Es erwächst uns daraus der Wunsch zu erfahren, wie denn diese 
spanische Kunst sich im Barockzeitalter zur Decoration gestellt hat. Um 
die diesbezüglichen Erwartungen von Vorneherein auf ein bescheideneres 
Maß herabzustimmen," mag zuvor noch erwähnt sein, dass gerade in der 
spanischen Malerei der Hauptmeister Velasquez eine weit isolirtere Stellung 
eingenommen hat als die übrigen Hauptmeister in ihren Ländern. Rubens 
beherrscht die ganze flämische Kunst in souveräner Weise; von Rembrandt 
gilt dies zwar nicht in vollkommen gleichem Umfange, aber im Allge- 
meinen vereinigt auch er in sich alle die höchsten und bedeutsamsten 
Züge, die der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts ihren Charakter 
geben. Velasquez dagegen tritt schon dadurch in einen Gegensatz zu 
der großen Masse der spanischen Maler, dass er so gut als der einzige 
Maler rein weltlicher, profaner Stoffe gewesen ist, während alle seine 
übrigen Landsleute, ohne irgend eine bemerkenswerthere Ausnahme, 
Kirchenmaler gewesen sind. Es wäre daher keineswegs sehr übertrieben, 
wenn man behauptete, dass Murillo die nationale spanische Malerei des 
17. Jahrhunderts weit zutreffender repräsentirt als Velasquez. Wodurch 
unterscheidet sich Murillo von Velasquez? Auch Murillo ist ausgegangen 
vom strengen spanischen Naturalismus, aber in seiner reiferen Entwicklung 
erinnert er immer mehr an die Italiener. Es regte sich der Romane in 
ihm, dem doch die schöne Form als Gefäß einer schönen Seele unent- 
behrlich dünkt. Auch Murillo zieht das Göttliche in die rein mensch-
	        
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