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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 2)

liche Sphäre herab, malt Andalusierinnen als Madonnen; aber er lernt 
mit der Zeit seine Modelle entsprechend auszuwählen und ihnen feine 
Formen und anmuthige Bewegungen anzndichten. Auch die Kunst des 
Murillo hat ihre idealistische Seite, die ihn mit seinen italienischen Rasse- 
verwandten verknüpft; und dem gleichen Zuge begegnen wir bei den meisten 
seiner Landsleute. 
Dadurch müssen unsere Erwartungen von einer etwaigen Selbstän- 
digkeit der spanischen Barockdecoration schon von Vornherein eine wesent- 
liche Mäßigung erfahren. Und in der That, der eigentliche spanische 
Barockstil ist nichts als eine nüchterne, steife Nachahmung des römischen 
Barockstils. Vielleicht das in aller Welt bekannteste aller spanischen Bau- 
denkmäler ist der Eacurial; hört man diesen Namen nennen, so denkt 
man sofort an düstere, freudlose, kerkerhafte Mauern, von denen auch 
die Freude am Schmuck von Vorneherein ausgeschlossen ist. Der Stil 
des Escurial ist aber im Allgemeinen, wenn auch nicht mit der gleichen, 
asketischen Enthaltsamkeit, fast im ganzen 17. Jahrhundert in Spanien 
in Herrschaft geblieben. Erst das lebenslustige französische Regiment der 
Bourbonen hat im 18. Jahrhundert den Bann gelöst und einen um so 
überschwänglicheren Wirbeltanz der Formen entfesselt, der dem fran- 
zösischen Rococo parallel geht und [im Rausche der Bewegungen und 
Schwingungen weit Alles übertrifft, was in dieser Hinsicht in Italien, 
Deutschland, Belgien und Frankreich geleistet worden ist. Wie es unter 
solchen Umständen mit der spanischen Barockdecoration des t7. Jahr- 
hunderts bestellt gewesen ist, lässt sich leicht denken. Es genügt die Er- 
zählung eines Factums, um sie zu illustriren. Um die Mitte des 17. Jahr- 
hunderts wurde das alte königliche Schloss in Madrid ausgebaut und sollte 
naturgemäß einen der königlichen Würde und Majestät entsprechenden 
decorativen Schmuck erhalten. Man brauchte decorative Sculpturen und 
Malereien, aber im Lande selbst wusste man solche nicht herzustellen. 
Es fehlte vollständig an Kräften, die darin Uebung besessen hätten. 
Velasquez musste als Hofmaler des Königs nach Italien gehen, um ita- 
lienische Decorateure anzuwerben. Nach langen fruchtlosen Unterhand- 
lungen gelang es ihm erst nach seiner Rückkehr nach Madrid, endlich 
einen Decorationsmaler aufzutreiben, der sich für einige Jahre bereit 
finden ließ, in die Dienste des spanischen Königs zu treten. 
Es verbleibt uns somit nur noch eine Instanz: die holländische 
Kunst, deren Malerei in oberster Spitze durch Rembrandt vertreten ist. 
Der Naturalismus Rembrandtk ist zwar kein absoluter, wie derjenige des 
Velasquez. Namentlich in coloristischer Beziehung erscheinen Rembrandfs 
Porträte geradezu phantastisch, wenn man sie neben solche des Velasquez 
hält. Aber diesen Mangel, den er selbst freilich als solchen keineswegs 
empfand, wusste Rembrandt für unseren modernen Geschmack auszu- 
gleichen durch jene unendliche Gefühlswärme, jene anheimelnd gemüth- 
volle Auffassung, mit der er seine historischen Darstellungen erfüllt hat.
	        
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