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Ausdrucke kommen kann, und dass durch einen Titel, beigeschriebene Namen, oder con-
ventionelle Attribute und Merkmal: dem Beschauer Hilfsmittel gegeben werden müssen.
Es wird dann an der Hand hervorragender Meisterwerke, z. B. der Rafaelischen Stanzen,
gezeigt, wie gänzlich unmalerische StoiTe bedeutenden Bildern als Grundlage dienen
können, ja wie es selbst vorkommen kann, dass Werke der bildenden Kunst gar keinen
eigentlichen Stoß" haben. zum mindesten keinen, der in Worten ausgedrückt werden kann.
Daraus zieht nun der Vortragende den Schluss, dass die Grundlagen, die eigentlichen
Motive der Kunstwerke keine begrifflichen Vorstellungen, sondern Sehvorstellungen sind,
denen sich die BegriEe nur im Associationswege beigesellen, ohne auf den Charakter und
die Bedeutung der Kunstwerke den einschneidenden Einßuss zu haben, den ihnen der
Laie beizulegen geneigt ist, der häufig die Logik dieser optischen Elemente gar nicht
versteht und sich nur durch den begriihichen Inhalt des Dargestellten zu Gedankenfolgen
angeregt fühlt; der eigentliche Inhalt eines Kunstwerkes sei aber, wie in der Musik aus
reinen Tonvorstellungen, in der bildenden Kunst aus specifiisch optischen Elementen
zusammengesetzt, so dass dem Steife als dem begrifliichen Inhalte eine secundlre Be-
deutung zugeschrieben werden kann, neben dem aus Linien, Farben, Formen zusammen-
gesetzten formalen Inhalte eines Kunstwerkes, der sich mit dem begrifllichen nie voll-
ständig, hlufig aber in ganz mangelhafter Weise deckt.
Am I4. Januar hielt Custos Josef Folnesics einen Vortrag über nDie moderne
Buchillustration in Englandn. Wir bringen den Inhalt dieser Vorlesung an anderer Stelle
unserer Zeitschrift.
Am zt. Januar sprach Hofrath Prof. Dr. Anton R. v. Kerner uber -Die architek-
tonischen Verhältnisse der Pilanzen und ihre Beziehungen zur Landschaftsmalereic. Der
Vortragende erläuterte zunlchst, wie das, was man in der Landschaftsmalerei den Bauin-
schlag zu nennen püegt, d. i. der eigenthümliche landschaftliche Eindruck der verschie-
denen Geholze, in erster Linie mit der Ausbildung und Stellung der Zweige in Zusammen-
hang steht. Da aber die Zweige aus Knospen hervorgehen, so ist bei der wissenschaft-
lichen Erklärung des Baumschlages vor Allem auf die Stellen Rücksicht zu nehmen, wo
die Knospen ausgebildet werden.
Bei den Nadelholzern erscheinen die Knospen an den Enden der Jahreitriebe zu-
sammengedrangt. Aus einer derselben wachst im nlchsten Jahre ein Spross hervor,
welcher die gerade Verlängerung des von ihm abgeschlossenen Triebes bildet, aus den
anderen gehen die seitlichen, meistens in Scheinwirteln gruppirten Seitentriebe hervor.
Wesentlich beeiniiusst wird der landschaftliche Charakter der Nadelhdlzer dadurch, dass
bei einem Theile (z. B. den Fichten und Tannen) nur Langtriebe, bei einem anderen
Theile (z. B. den Föhren und Zirben) nur Kurztriebe und wieder bei einem anderen
Theile (z. B. den Larchen und Cedern) theils Langtriebe, theils Kurztriebe von demselben
Zweige ausgehen.
Bei den Laubhölzern entspringen die Knospen aus den Blattachseln, d. h. aus den
Winkeln, welche die Laubblatter mit den Zweigen bilden. Da diese Laubblütter eine
bestimmte geometrische Stellung einnehmen, so wiederholt sich diese auch an den Knospen
und den aus den Knospen sich erhebenden Zweigen. In Beziehung auf diese Stellung
sind zwei Falle zu unterscheiden. Erstens iener Fall, wo in einer und derselben Hohe
zwei oder drei Laubblatter, bezw. Knospen und Zweige von einem Sprosse entspringen,
wie z. B. bei den Ahornen und dem Oleander, und zweitens jener Fall, wo in einer und
derselben Hohe immer nur ein Laubblatt, bezw. eine Knospe und ein Zweig von dem
Sprosse ausgehen. In diesem zweiten Falle lassen sich die slmrntlichen Blätter, Knospen
und Zweige durch eine um den Spross herumlaufende Schraubenlinie verbinden. Denkt
man sich diese Schraubenlinie auf eine horizontale Flache proiicirt, so erhält man eine
Spirale und kann an dieser Spirale den horizontalen Abstand der aufeinanderfolgenden
Knospen erkennen. Derselbe betragt in manchen Fallen die Hälfte, in anderen Fallen ein
Drittel und wieder in anderen Fallen zwei Fünftel des Stengelumfanges, und es ordnen sich die
am häufigsten beobachteten Stellungen entsprechend den Zahlen a, ä, -:-, ä,
Dass jeder dieser Stellungen ein bestimmter Verzweigungstypus entspricht, wurde von
dem Vortragenden an vorgelegten Aestcn verschiedener Geholze erläutert.
Eine Abweichung von diesem Verzweigungstypus erfolgt regelmaßig dann, wenn der
betreffende Spross nicht nur Blattknospen, sondern auch Blüthenknospen entwickelt. Wo
namlich eine Blülhe oder eine ganze Blüthengruppe gesessen hatte, wachst der Spross
nach dem Ablösen der aus den Blüthen hervorgegangenen Früchte niemals weiter. lst
von den drei am Ende eines Sprolses ausgebildeten Knospen die mittlere eine Blüthen-
knospe gewesen, so erlischt dort das weitere Wachsthum. Nur die beiden seitlichen Blatt-
knospen entwickeln sich zu beblatterten Zweigen und das Ergebniss dieser Wachsthums-
weise ist eine wiederholt zweigabclige Verzweigung, wie sie z. B. bei dem Essigbaume
in Frscheinung tritt. Finden sich mehrere Blüthenknospen seitlich an einem Sprosse und