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sein mag. Es ist Alles in Allem ein erfolgreicher Protest gegen prosaischen
Realismus und gedankenloses Abschreiben der Natur, die Summe jener
eigenartigen Poesie, die unser von historischer Bildung gesättigtes Zeit-
alter in die Wiederbelebung alter Formen hineinzulegen vermag.
Neben Burne Jones pflegt eine ansehnliche Zahl von Künstlern, deren
specieller Beruf die Illustration ist, dieses archaTsirende Genre, besonders
dann, wenn ein alterthürnlicber Text dazu einlädt. Es ist eine Schwärmerei
für den alten Holzschnittstil entstanden, die namentlich die Jugend ergriffen
hat, und die dahin führt, dass man oft geradezu in Roheit und Unbeholfen-
heit verfällt, um ja dem Charakter der Alten treu zu bleiben. Wo aber
der Künstler mit Tact und Geschmack vorgeht, bedeutet dieser Stil
entschieden eine Bereicherung des Illustrationswesens. So hat Lawrence
Housman eine Reihe von Kobold-, Elfen- und I-Iexengeschichteu auf
reizende Weise in dieser Art behandelt und war, wo der Stoff es zuließ,
nebenbei bestrebt, seine Darstellungen mit frischem Humor zu beleben,
wie z. B. in der Erzählung "Jump to glory Janeu.
Ein anderes nennenswerthes Talent nach dieser Richtung entwickelt
Selwyn Image und zeichnet sich überdies durch ebenso originelle als
wirkungsvoll entworfene ornamentale Compositionen aus. Mehr in der
Art Dürer's als in der der Italiener illustrirt Howard Pyle seine mittel-
alterlichen Erzählungen. Gut stimmt auch hier der lnhalt zu den Illu-
strationen uncl in sein Vorbild hat sich Pyle so sehr hineingelebt, dass
man manche Zeichnung auf den ersten Blick für Dürer halten könnte.
Trotzdem ist Pyle's Künstlerschaft nicht an diese Art der Zeichnung
gebunden, wovon mehrere Bücher mit modernem Inhalte Zeugniss geben.
Am treuesten folgt die Illustratorenschule von Birmingham den
Vorbildern der Frührenaissauce. Gere, Gaskin, New, Gertrude Brad-
ley und eine Reihe Anderer haben in dieser Weise Vorzügliches geleistet.
Weitaus die bedeutendste künstlerische Kraft, die aus dieser Schule
hervorgegangen, ist jedoch Fred Mason. Sein wHuon of Bordeaux",
der 1895 erschien, ist ein Prachtwerk ersten Ranges. Es hat Vieles mit
Burne Jones Chaucer-Illustrationen gemein. Aber Mason ist der gewandtere
Ornamentist und die liebenswürdigere, fröhlichere Künstlernatur. Seine
Randverzierungen sind geradezu entzückend. Bald weiß er uns durch Motive
aus der Erzählung, die er in seine Ornamentik verfiicht, dafür zu inter-
essiren, bald fesselt er durch reizvolle Verwendung unserer allergewöhn-
lichsten Wiesenblumen. Auch die Kräuter und Pflanzen des Küchengartens
versteht er wundervoll zu deuten und anzuordnen, so dass es eine wahre
Freude ist, seine originellen Einfälle zu verfolgen. Das höchste Lob er-
wirbt er sich durch das feine Abwägen der bildlichen Darstellung und
des Ornaments. Das Ornament mag noch so reich sein, es wird in
seiner Wirkung vom Bilde überstrahlt, das es umrahmt. Die kraft-
strotzenden, jungen Rittergestalten auf ihren edlen Pferden, die süßen
Jungfrauen, denen sie im Walde begegnen, die ehrwürdigen Matronen.