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junger Königssöhne in wenigen Linien so zu schildern weiß, dass
wir Verse von Mirza SchaHy zu hören meinen; lsabel Adams und
Granville Fell, von denen in den Banbury Cross Series hübsche Märchen-
illustrationen und frisch erfundene Randverzierungen zu finden sind;
Winifred Smith, die i_n ihren "Nursery Songs and Rhymes of England-i
die herzlichsten Töne kindlicher Unbefangenheit anschlägt; Louis Davis,
der in gleichem Maße wie von Crane von Sumner heeinllusst wird, und
endlich als einer der jüngsten Anning Bell, vielleicht der Interessanteste
und Begabteste von Allen. Seine nBelle Darne sans merciu, sein nMidsummer-
nights dreama, seine vCinderellau athmen dieselbe natürliche, gesunde und
ungezwungene Poesie, als hätte Walter Crane selbst sie in seinen glück-
lichsten Stunden concipirt. Er ist nur um einen Grad moderner, etwas
weniger Prärafaelit und dafür mehr von Japan beeinflusst als sein Vorbild.
Eine andere Gruppe von Illustratoren, ebenfalls prärafaelitischer
Richtung, ist jene, die den Holzschnitt des I5. und 16. Jahrhunderts,
namentlich den italienischen, zur Grundlage ihrer Studien und Compo-
sitionen gemacht hat. Sie unterscheidet sich von der Walter Crane-Gruppe
dadurch, dass sie viel weniger fremdartige Züge in ihre Compositionen
aufnimmt als jene. Sie bleibt ihrem alten Vorbilde möglichst treu, bedient
sich der dicken, kräftigen Linie wie die Classiker des Holzschnittes, kennt
keine Halbschatten, sucht mit möglichst wenig Mitteln zu wirken und
kümmert sich nicht allzuviel um räumliche Vertiefung des Bildes. Höchst
phantasievoll, glücklich und productiv erweist sie sich im Ornament.
lllustration und Typendruck weiß sie stets harmonisch zu verbinden. lhr
Darstellungskreis ist in Folge ihrer beschränkten Eigenart selbstverständlich
ein viel engerer als der der früheren Gruppe. Das moderne Leben ent-
fällt ganz. Sie ist, wenn Text und Zeichnung harmoniren sollen, auf
mittelalterliche StoHe, auf Sage, Legende, Märchen angewiesen.
In dieserWeise hat kein Geringerer als Burne Jones selbst den eng-
lischen Dichter des 14. Jahrhunderts, GeoHrey Chaucer, illustrirt. Er hat in
diese Darstellungen einer längst vergangenen Zeit die ganze Tiefe seines
Gemüths, den vollen Reichthum seiner nachempfmdenden Dichterseele
und alle Schwermuth des wissenden Modernen hineingelegt. Diese
schlanken Gestalten in der Umgebung einer fremden, fernen Welt ziehen
dahin, bald holdselig und träumerisch, bald trotzig und herb, feierlich
ernst oder zart und schutzbedürftig, von vielsagender Müdigkeit oder
weltflüchtigem Gram erfüllt, und alle scheinen uns etwas sagen zu wollen,
mögen sie einer noch so fernen Welt angehören, sie sind uns nicht
fremd, sie werden uns vertrauter, ie länger wir sie betrachten, und
endlich erkennen wir uns selbst in diesen schattenhaften Gestalten.
Wir finden das Widerspiel unserer Seele, ihre Hoffnungen und Träume,
ihr Freud und Leid, ihr Sehnen und Entbehren. Dieser unser rnodernstes
Wesen streifende Zug in seinen Compositionen ist es, der uns mit Allem
versöhnt, was etwa an Archaisrnus oder absichtsvoller Naivetät zu viel