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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 4)

Darüber sind nun dreißig bis vierzig Jahre in's Land gegangen und 
es darf nicht befremden, dass die Kritik sich wieder auf verschiedenen 
Seiten regt. So jubiläumsfroh die Gegenwart ist, gönnt sie doch den 
Dingen nur ungern die ungestörte Dauer eines Menschenalters. Ein nicht 
geringer Theil des Publikums verwechselt Kunstmuseen mit den Kunst- 
vereinen (wobei nicht an den spöttischen Sinn, den Schwind diesem 
Worte beilegte, gedacht zu werden braucht), mit Anstalten also, die 
fortwährend für Abwechslung sorgen: man besucht die Galerien nicht, 
um sich zu erbauen, sondern um Neues zu sehen, und überlässt sie, wenn 
diesem Begehren nicht genügend entsprochen werden kann, den Fremden. 
Auch soll die Kunst nicht hinter der Mode zurückbleiben, die ja so 
phantasiereich ist, um für jede vSaison- einen neuen - Stil in der Kleidung 
aufbringen zu können und verlangen dürfte, dass Mobiliar u. s. w. sich 
jedem solchen neuen Stil anpasse. Hat die Industrie Anfangs vielleicht 
übertriebene Erwartungen gehegt, so findet sie wohl, dass "nicht alle 
Blüthenträume reiftenu; und muss sie auch zugestehen, dass die er- 
nüchternden Zeitumstände nicht von den Bildungsanstalten verschuldet 
sind, so bleibt doch der Schluss, dass sie auch keine Besserung gewähren. 
Genug, "es muss Vieles anders werden, wenn die Kunstgewerbetnuseen 
ihre Aufgaben erfüllen sollenc. 
Ob und wie reformirt werden solle, darüber ist es in neuester Zeit 
sogar zwischen zweien der ausgezeichnetsten Sammlungsvorstände in 
Berlin, Wilhelm Bode vom königlichen Museum (im i-Panu) und Julius 
Lessing vom Kunstgewerbe-Museum (im wKunstgewerbeblatt-i), zu einer 
ziemlich scharfen Auseinandersetzung gekommen, in der gelegentlich 
auch österreichische Verhältnisse gestreift wurden. Wie bei Autoritäten, 
gleich den genannten, selbstverständlich ist, bringt jeder Gegner reiche 
Erfahrungen und beachtenswerthe Vorschläge zur Sprache, und in vielen 
Punkten sind die Differenzen nicht so sehr grundsätzlicher Natur, als 
sie vielmehr die Frage betreffen, ob die Reformen unverzüglich in Angriff 
genommen werden sollen und können oder nicht. ' 
Als die Bewegung begann, nahm man naturgemäß das System der 
Anordnung der Sammlungen an, das in London bereits seine Probe be- 
standen hatte, nämlich das Zugrundelegen des Materials und der Technik 
der Gegenstände. Abweichungen ergaben sich von selbst. Schon die Leih- 
Ausstellung bei Gelegenheit der Londoner Ausstellung von 1862 musste 
überzeugen, dass in keinem anderen Lande solche Schätze zu gleichem 
Zwecke aufzubieten sein würden, geschweige, dass ein anderes Institut 
auf so reiche Mittel rechnen dürfe wie das Kensingtun-Museum. Nur 
ausnahmsweise wurden den neuen Anstalten die passenden Bestände 
alter Sammlungen einverleibt, wie die der Berliner Kunstkammer; man 
war zumeist darauf angewiesen, durch Ankäufe auf dem Kunstmarkte 
Typen der Arten der Technik und der Stilgattungen herbeizuschaifen, 
mit der stillen Hoffnung, bei Gelegenheit die geringeren Arbeiten durch
	        
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