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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 4)

 
nicht malen oder meiBeln können, wird die ganze Wissenschaft oft als 
etwas völlig Ueberflüssiges betrachtet. Ein ausgezeichneter Maler hielt ein- 
mal eine lange Standrede über dieses Thema. "Wenn lhr uns sagen 
könntet, wie die Alten gemalt haben, dann könnte Eure Wissenschaft 
wenigstens etwas nützenlu rief er triumphireud aus. Doch als ihm bea 
merkt worden war, dass die Wissenschaft doch nicht die Vernachlässigung 
der alten Malweisen verschuldet, wohl aber Alles, was sich von alten 
Aufzeichnungen und Anweisungen und Recepten erhalten hat, gesammelt 
und in den Hauptcultursprachen veröffentlicht hat: da kam an's Licht, 
dass der Maler von einer solchen Litteratur nicht das Mindeste wusste, 
und z. B. den Namen Theophilus nie gehört hatte. Natürlich schnappen 
die Schüler nichts begieriger auf, als dass alles Wissen Dunst sei, und 
dass sie sich von keinem Menschen dreinreden zu lassen brauchen. Das 
ist aber doppelt bedenklich, wo es sich nicht allein um die Erscheinung 
einer Arbeit, sondern vor Allem um deren Zweckmäßigkeit handelt, wie 
das einst einem berühmten Wiener Architekten begreiflich gemacht wurde. 
Er fertigte eine tadelnde Bemerkung über einen Sessel mit den Worten 
ab: "Wie ein Sessel componirt werden muss, das verstehe ichll und 
erhielt zur Antwort: nAber wie man darauf sitzt, das verstehe ich, und 
Sie selbst würden sich dafür bedanken, diesen hier zu benützen". Und 
bei diesem Anlass: mag nicht unberührt bleiben, dass eine gefährliche 
Strömung der Zeit auch auf unserem Gebiete Unheil anrichtet. Als ob 
wir noch vor fünfzig Jahren lebten, nimmt wieder der Aberglaube über- 
hand, dass nur der sich wirklich ein Künstler nennen könne, der viel 
Leinwand bemalt, große Figuren modellirt oder wenigstens in Kupfer 
radirt. Vergebens hält man den jungen Leuten die großen Künstler der 
Vergangenheit vor, die es nicht unter ihrer Würde fanden, auch in Werken 
der Kleinkünste ihre Größe zu beweisen, und die Zeitgenossen, vielleicht 
die eigenen Lehrer, die ebenso mit gutem Beispiel vorangehen; vergebens 
verweist man auf die Ueberfluthung des Marktes mit Gemälden. Vergebens, 
denn Gemälde haben doch eher Aussicht, in eine Kunstausstellung auf- 
genommen und von den verhassten Kunstschreibern in den Zeitungen 
erwähnt zu werden; damit empfängt man das Diplom als Künstler und 
kann sich ein wAteliern einrichten, anstatt - proh dolor! - in eine 
wWerkstatta gehen zu müssen, nArbeiten zu werden. Das Atelier ist 
zwar nichts Anderes als eine Werkstatt, doch klingt das Wort viel vor- 
nehmer. Der Besuch einer Schule lässt sich leider nicht umgehen, aber 
dem Worte Schüler scheint eine kränkende Bedeutung anzuhaften, da 
es wo möglich durch Frequentant oder Studirender oder gar nHöreru 
(Hörer des Zeichnens!) ersetzt wird. nStudirenden-x kann natürlich nicht 
zugemuthet werden, sich später noch zu erinnern, für welches kunst- 
gewerbliche Fach sie ihr Stipendium erhalten haben. Man nenne der- 
gleichen nicht verzeihliche Eitelkeit oder harmlose Spielerei. Es könnten 
vielmehr recht betrübende Thatsachen von den Wirkungen des Dünkels
	        
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