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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 12)

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Aufsatzes zu gering, um solche Ausführungen vorzubringen, die des Zu- 
sammenhanges im Ganzen und Großen mit dem zu Grunde liegenden 
Princip nicht gänzlich entbehren. Nur nach einer Richtung mag "eine 
kurze Bemerkung am Platze sein. Sie bezieht sich auf die Ornamentik 
der Gegenwart. Wenn wir uns vor Augen halten, dass das constructive 
Element allenthalben und zu allen Zeiten die wichtigste Rolle in der 
Entwicklung der decorativen Kunst spielte; wenn wir diese Entwicklung 
durch lange Zeiträume hindurch selbständig oder auch durch Neben- 
einwirkungen beeinflusst sich vollziehen sehen, so drängt sich die Frage 
auf, ob der actuelle Stand der Ausübung alles Dessen, was mit dem Zier- 
wesen zusammenhängt, Merkmale an sich trägt, die entweder nur auf die 
bekannten Phasen der älteren Kunstweisen zurückzuführen sind oder die 
unsere moderne Kunstübung als eine neue Etappe auf langem Wege er- 
scheinen lassen. Befragen wir die moderne Omamentik speciell nach dem 
Umstande, ob sie eine charakteristische Leitlinie aufzuweisen habe, die, 
wie die schon früher erwähnten, in verschiedenen Modificationen ver- 
wendbar, einem neuen, einer Fortbildung entsprechenden Princip zuzu- 
schreiben ist, so erhalten wir ohne Schwierigkeit die Antwort im posi- 
tiven Sinne: Die neuere Kunst sucht von der gebrochenen Linie abzugeben 
und intercalirt zwischen zwei einfach oder mehrfach gekrümmten Linien- 
(Spiralen oder Schlangenlinien) entweder ganz gerade oder nur schwach 
gekrümmte, zumeist langgestreckte Stücke: 
Bei kritischer Betrachtung des modernen Ornaments ergibt sich, 
dass- solche Linien einzeln, paarig, in Bündeln, ferner nebeneinander 
gelegt oder sich durchkreuzend, mit und ohne Beihilfe einfacherer Ele- 
mente auftreten, auch den Symmetrieachsen sich beiordnend u. s. w. 
Findet sich diese Leitlinie in der Natur, so kann man sicher sein, dass 
der Ornamentiker aus der betreffenden Pflanze oder was es sonst sein 
mag, Nutzen zu ziehen trachtet; vom Mohn, den Lilienarten und Aehn- 
lichem angefangen bis zu den Mäuseschwänzen, die unsere französischen 
Nachbarn schon mit großer Vorliebe verwendet haben. ' 
Einer Symmetrieachse beigegeben, bilden zwei 
Linien dieses Systems die einfachste Type eines Bäum- 
chens samrnt den Wurzeln, wie es heute in einfacher 
oder reicherer Ausstattung häufig wiederkebrt. 
Es wäre der Mühe werth, als ein Experiment 
durch eine Person ohne jegliche Zeichenfertigkeit einen 
Vorrath von Strichen des angedeuteten Systems her-  
stellen zu lassen; etwa mit Kohle auf weißem Papier, in l 
kräftiger Führung. Werden solche Striche mit der Scheere nmschnitten, 
so bieten sie ein reiches Material zur Zusammenstellung der mannig-
	        
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