Litteratur - Bericht.
Les meubles du moyen-äge et de la renaissance, les sculptures micro-
scopiques, les cires. Par Emile Molinier. Paris, lihrairie centrale des
beaux-arts. Fol.
Den umfangreichsten Theil der Arbeit Molinier's bildet der erste Abschnitt der-
selben, die nGeschichte des Möbelsa, und in dieser Endet naturgemäß dieienige des
fran zösischen Möbels die ausgedehnteste Würdigung, die Möbel der übrigen Cultur-
nationen erhalten eine verhaltnissmaßig knappe, manche sogar nur eine ganz oberfläch-
liche Schilderung. Letzteres ist hinsichtlich der Renaissance-Möbel Deutschlands und der
Niederlande der Fall. Umgekehrt steht das Verhaltniss im zweiten Theil des Werkes,
der die Sculpturwerke in Buchs und Solenhofer Stein (pierre de Munich)
entillil; hier nimmt Deutschland den weitaus größten Raum ein. Kurz ist der
dritte Theil des Werkes, welcher eine Schilderung der in Wachs bossirten Ar-
beiten bietet.
Schon im Jahre 1887 hat Edmond Bonnaffe die Geschichte des französischen
Möbels des I6. Jahrhunderts geschrieben, welche im genannten Jahrgang der sMitthei-
lungen- eingehend besprochen wurde. Moliniefs Arbeit beginnt mit dem frühesten
Mittelalter und schließt mit dem Ende des 16. Jahrhunderts; sie zieht außer dem bür-
gerlichen Hausrathe auch die Kirchenmöbel, hauptsächlich die Stuhlwerke in Betracht.
Bei den spärlichen Ueberrestcn, welche vorn Mobiliar der romanischen und gothischen
Zeit auf uns gekommen sind, will Molinier weder den Miniaturen noch dem Texte der
Manuscripte vertrauen, sondern sich auf die Schilderung noch vorhandener Stücke be-
schränken. Hierin ist er gleicher Anschauung wie Bonnaffe. Molinier geht aber noch
weiter, indem er die in Viollet-le-Dutfs nDictionnaire raisonne du mobilier francais etc.u
niedergelegten Studien als ein vom Standpunkte des -ernstena Archäologen zurück-
zuweisendes System der Wiederherstellung bezeichnet. Ein auf solche Weise entstan-
denes Mobiliar nennt er ein -Theatermobiliar-. Auch die Aufstellung einer -Geographie-
des Möbels halt Molinier für verfehlt. In der gothischen Periode ist nach seinen For-
schungen in von einander sehr entfernten Provinzen Frankreichs ein und derselbe Stil
vorhanden, so dass es unmöglich ist, die Provenienz eines Mabels der Gothik genau
festzustellen. Aber auch die von Bonnaüe mit vielem Fleiße für die Zeit der Renaissance
aufgestellte Charakterisirung der Möbel nach provinzialen Eigenschaften lasst Molinier
nicht gelten und die Widerlegung der Möglichkeit eines solchen Vorgehens nimmt einen
ermüdend großen Theil seines Werkes in Anspruch.
Nicht minder breit entwickelt ist die auch von Bonnalfä ausgeführte Widerlegung
der Anschauung, als ob sich das Möbel der französischen Renaissance vom italienischen
Renaissance-Möbel ableiten lasse, oder als ob gar italienische Arbeiter die französischen
Möbel ausgeführt hatten. Nach Molinler sind die französischen Möbel des 16. Jahrhunderts
rein französisch, von französischen Händen gemacht und in französischem Geiste durch-
geführt; Das italienische Mobiliar ist für sie kein Vorbild zu nennen. ln der Frührenaissance
zeigt wohl die Ornamentation der Möbel italienischen Einfluss, derselbe ist aber nicht
etwa italienischen Möbeln, sondern italienischen Stein- und Bronzewerken, sowie
Ornamentstichen zuzuschreiben , in erster Linie den weitverbreiteten Bronze-
Plaquetten. ln der zweiten Hälfte des I6. Jahrhunderts steht Frankreich ganz auf
eigenen Füßen, da sind es die Du Cerceau und Sambin, die Jean Goujon und Florentin,
welche der Möbelproduction des Landes ihren Stempel aufpragen.
Mit der Beurtheilung rcsp. Verurtheilung der Arbeit Vinllet's dürfte der Verfasser
wohl ziemlich isolirt stehen. Gewiss hat Ersterer Vieles aus seiner reichen Phantasie
datugegeben, aber ein so ernster Forscher wie Viollet-le-Due liefert durch seine Studien
kein Theatermobiliar. Mit der Zurückweisung der xGeographieu des Möbels von Bonnaffe
geht es Molinier selbst nicht recht zusammen, an manchen Stellen seines Buches muss
er ihr sogar beipflichten, da locale Nuancen sicher nachzuweisen sind. Schließlich wird
Niemand die Originalität des französischen Frührenaissance-Möbels bestreiten. Es erging
eben den Franzosen geradeso wie den Deutschen, den Niederländern etc.: Zuerst drang
italienischer Decor ziemlich unverändert unter dem Einßusse von Meistern ein, welche
ltalien bereist hatten, von der zweiten Hälfte des IÖJahrhunderts angefangen entwickelt
sich dann erst eine kräftig betonte nationale Kunst.
ln Folgendem sei in Kürze der Inhalt des Abschnittes nLes Meubles etc.u skizzirt.
Das älteste bekannte mittelalterliche Möbel in Frankreich ist das Lesepult der
heil. Radegunde aus dem 6. Jahrhundert, ein ziemlich primitives Stück aus merovin-
gischer Zeit. Um sich aber vom romanischen Mobiliar ein Bild zu verschaffen, muss
der Verfasser, in Anbetracht des gänzlichen Mangels an französischen Beispielen, die in