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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 5)

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Form der Lippen entgegenkommt. Ihr runder Henkel erhebt sich in zier- 
lichem Bogen über den Rand und erhält, hauptsächlich aus praktischen 
Gründen, im Innern oft allerlei ornamentale Zusätze. Den unteren Rand 
der Tasse umgibt häufig ein schmaler Wulst. Die Unterschalen ent- 
fernen sich ebenfalls etwas von der geradlinigen Form und zeigen ent- 
weder einen nach einwärts oder sanft nach auswärts gebogenen Rand. 
Die zu solchen Tassen gehörenden Kannen entlehnen ihre Form bereits 
entschieden den antiken Vasen. Sie gliedern sich in Fuß, Bauch und 
Hals; ihre Contour zeigt gefälligen Linienschwung, und wo es angeht, 
gestattet man der Phantasie freien Spielraum. Das ist namentlich bei 
den Zuckerschalen der Fall. Der Modelleur ist hier an keine hemmenden 
Utilitätsrücksichten gebunden und gestaltet daher dieses Gefäß gerne 
zum künstlerisch durchgebildetsten Stück des Services. Gewöhnlich sehen 
wir offene, flache Schalen oder vertiefte, runde Gefäße auf hohem, baluster- 
oder säulenförmigem Fuß; statt dessen manchmal auch Sphingen, Hermen 
oder Harpyen, das Ganze häufig bekrönt durch einen zierlichen, oft 
durchbrochenen Deckel, und nicht selten mit einer Strenge componirt, 
die angesichts eines so unbedeutenden Gegenstandes fast übertrieben 
scheint. 
Alle diese Formen richten sich noch nicht durchwegs nach wclas- 
sischenu Vorbildern; dies und jenes vom vorangegangenen Genre haftet 
ihnen noch an, aber sie sind auf bestem Wege ganz und gar einem 
fingirten Griechenthum zu verfallen. Der entscheidende Schritt geschieht 
nun, indem die energische Gliederung der antiken Vase, von der man 
sich längst eine abstracte Idealform construirt hatte, auch auf die Trink- 
gefäße ausgedehnt wird. Auch diese erhalten jetzt einen abgerundeten 
Boden, einen mehr oder minder energisch entwickelten Fuß, ihr Henkel 
steigt im Schwanenhalsbogen über den Rand des Bechers hinauf und 
dieser Rand ist bald nach den Vorbildern der ersten, bald nach denen 
der zweiten Gruppe senkrecht geformt oder in sanfter Curve ausgebogen. 
Zierliche Abarten solcher Typen, mit Deckeln, mit zwei Henkeln, auf 
drei FüBchen gestellt u. s. w. verleihen dieser Gruppe bescheidene Ab- 
wechslung. Eine besondere Art von Tassen ist noch zu erwähnen, die 
an kraterförmige Vorbilder erinnert. Einem trichterförmigen hohen Rand 
folgt ein kurzer Bauch. Ein Beispiel der Ausstellung vom Jahre 1811 
dürfte wohl eines der frühesten sein, denn in Mode kommt diese Form 
erst in der Zeit der Decadence. 
In derselben Weise, wie bei den hier besprochenen Gefäßformen, 
findet auch beim Tafelservice in der Zeit von 1784-1810 ein Fort- 
schreiten in der Entwicklung sogenannter classischer Formen statt. Ein 
Suppentopf in niederer Vasenform in den Sammlungen des Museums 
vom Jahre 1807 ist ein gutes Muster hiefür. Die Ausstellung selbst bietet 
in mehreren Wochenbettschalen, die auch nach dem Vorbilde dieser 
vasenförmigen Soupieren rnodellirt sind, weitere Beispiele.
	        
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