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Wir haben damit die wichtigsten Arten der beiden ersten Gruppen
charakterisirt und gelangen zur dritten großen Gruppe, den Porzellanen
mit Landschaftsmalereien. Diese Veduten, Städtebilder und Ansichten
einzelner Gebäude, wurden nicht in erster Linie um ihrer Schönheit willen,
sondern hauptsächlich wegen des Interesses oder der Erinnerung, die sich
daran knüpft, angefertigt. Der Künstler hatte daher auch kein anderes
Bestreben, als das Bild leidlich richtig und in der conventionellen Manier
jener Zeit wiederzugeben. Die zu erzielende künstlerische Wirkung war vom
Hause aus beschränkt, in bestimmte Grenzen gewiesen. Ihrer Gesamtnt-
erscheinung nach sind daher auch diese Porzellane im Vergleich zu den in
anderer Weise decorirten in der Regel viel bescheidener. Die peinliche
Genauigkeit und der lobenswerthe Fleiß machen aber auch diese Stücke
zu geschätzten Erzeugnissen der Fabrik. Auch solche Landschaften sind
manchmal monochrom behandelt, in der Regel sind sie aber, wie es in
der damaligen Aquarellmalerei üblich war, in leichten Lasurfarben ab-
getönt, während dunkle, scharf geführte Linien die eigentliche Zeichnung
bilden. Die auf diesem Gebiete thätigen Maler waren Johann Weichsel-
baum, Karl Scheidl und Jacob Petter. Wien in weitestem Sinne
bildet das Hauptthema. Viele von diesen Darstellungen sind heute schon
historische Documente geworden und nehmen als solche unser erhöhtes
Interesse in Anspruch. Der Hof der kaiserlichen Burg in Wien, die
Schlösser Schönbrunn und Schlosshof, Ansichten aus dem Augarten, dem
Prater, dessen Weltruf eben aus dieser Zeit stammt, sowie aus Laxen-
burg, Veduten aus den malerisch gelegenen Ortschaften in der Umgebung
Wiens, wie Klosterneuburg, Heiligenstadt, Dornbach, Hietzing, Mödling.
Liesing, Kaltenleutgeben, Hacking, Mariabrunn etc., Wiener Plätze, Sraßen,
Kirchen, Paläste und öffentliche Anstalten bilden die am häufigsten wieder-
kehrenden Bilder, und merkwürdig berührt der meist in französischer
Sprache beigegebene Text. Es ist kein Zweifel, dass die Wiener Fabrik
namentlich zur Zeit des Congresses gerade mit diesen Stücken besonders
gute Geschäfte machte. Die meisten der hiehergehörigen Stücke der
Ausstellung entstammen den Sammlungen Karl Mayer und Simon
v. Metaxa.
Küntlerisch höher als die Landschaftsmalerei steht die vierte Gruppe,
die Blumenmalerei. Die naturalistische Blumenmalerei tritt schon mit
Ende des Rococo als Schmuck von allerlei Erzeugnissen der Kunstindustrie
auf, sie führt durch das Empire ein bescheidenes Dasein fort und gewinnt
erst im Laufe der Zwanziger Jahre an Umfang und Bedeutung. In der
Wiener Porzellanfabrik ist sie jenes Genre, das sich selbst in der Ver-
fallszeit noch auf ansehnlicher Höhe hält, und bedeutende Künstler auf-
zuweisen hat. In den ersten zwei Decennien des Jahrhunderts tritt der
Blumendecor noch zurück vor den anderen Verzierungsarten. Zierliche
Blumengewinde, leichte Festons, Kränzlein aus Rosen, aus Vergissmein-
nicht, oder aus diesen beiden Lieblingsblumen der Zeit, sind die relativ