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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 6)

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Den Kern der mageren Composition bilden Denkmäler bekränzende 
Genien, scbnäbelnde Tauben, geborstene Säulen, Opferaltäre, brennende 
Herzen und Aehnliches. Inschriften und Monogramme ergänzen den 
Sinn des Dargestellten. Viele dieser Gläser sind auf besondere Bestellung 
als Erinnerungs- und Familienstücke angefertigt worden. Ein besonders 
bemerkenswerthes Stück dieser Art ist ein Glaspocal mit niederem Fuß 
(Nr. 1330, Nordböhm. Gewerbe-Museum), geschliffen und gravirt. Vorne 
eine Gruppe: einer weiblichen Gestalt huldigt ein Mann in römischer 
Rüstung, Kinder bringen Blumenkränze herbei. Seitwärts auf einem 
Postamente lesen wir: wAnna von Neunkirchenu. Ueber dem Bilde 
tragen _Genien die Inschrift: nWürde der Frauen-x, auf der Rückseite ist 
die erste Strophe des gleichnamigen Gedichtes eingravirt. - Viele andere 
Gläser dieser Art wurden zwar nicht auf Bestellung, sondern für den 
Markt angefertigt, haben aber nachträglich durch Hinzufügung beziehungs- 
voller Inschriften oder einfacher Monogramme, die in freigelassene Felder, 
Medaillons oder Wappenschilder gravirt wurden, ein persönliches Moment 
aufgenommen, das ihnen einen intimen Charakter verleiht. -- Mag auf 
solche Weise immerhin noch manches Anmuthige geschaffen worden 
sein, im Ganzen zeigt sich in diesen Erzeugnissen ein arger Verfall der 
Graveurkunst. 
Eine zweite, einst sehr vornehme Gattung des Hohlglasdecors, die 
ebenfalls im Absterben begriffen ist, ist die Verzierung in Gold, be- 
stehend in der Vergoldung der vertieften gravirten Ornamente oder in 
der Decorirung in aufgernaltem Gold auf der glatten Oberfläche. Für 
beide Arten sind in den Nummern 1333 und 1328 Beispiele vorhanden, 
die, obwohl noch nicht jeden Reizes bar, Spuren des Niederganges bereits 
deutlich an sich tragen. 
Das neu aufblühende Genre, dem sich die allgemeine Gunst zu- 
wendet, ist das schwere, geschnittene und geschliffene Kristall- 
glas. Das Empire hat hier nichts zu schaffen. Fern von der allgemeinen 
Kunstströmung, unbekümmert um Classicismus und akademische Lehre, 
erfindet sich der böhmische Schleifer seine Formen selbst. Die schwierige 
Technik reizt ihn zu kühnen Profilirungen, unverdrossener Fleiß und 
mühevolle Genauigkeit, das allgemeine Kriterium des Kunstgewerbes 
jener Zeit geben seinen Arbeiten eine gewisse ethische Bedeutung, aber 
nach künstlerischer Richtung tritt eine unverkennbare Verwilderung ein. 
Von Arbeiten solcher Art besitzt die Ausstellung in den Nummern 1350, 
1359-1362, 1366 etc. (Karl Gindra) lehrreiche Beispiele, zu denen sich 
noch Varianten hinzugesellen, bei welchen durch farbigen Ueberfang 
polychrome Wirkungen herbeigeführt werden (Nr. 1356 und 1365). 
Der Uebergang zu diesen Formen vollzieht sich aber nicht plötzlich 
und unvermittelt, vielmehr spielen die früheren Decorationsarten vielfach 
in das neue Genre hinein. Gravirung oder Vergoldung gesellen sich an- 
fänglich zum Schliff gerne hinzu, die glatten Flächen noch mit einem
	        
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