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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 6)

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Weiteres unter die vErnpire-Arbeitenu einzureihen vermögen, weil ihnen 
das charakteristische Merkmal derselben, der erstarrte, nüchtern wirkende 
classicirende Forrnenkram mangelt. Sie haben Alle - mehr oder minder 
.-- einen gemeinschaftlichen, verwandten Zug, sie können ihre Abstam- 
mung nicht verleugnen. Es sind spätgeborne Kinder jener Stilart, die 
allerdings auch (worauf schon oben hingewiesen wurde) auf antiken 
Formen basirte. Aber diese waren nicht abgeschrieben, nicht einfach 
copirt, sondern, dem Charakter der Zeit Ludwig XVI. entsprechend, in 
feiner, geistvoller Weise umgearbeitet. 
Hierher gehört als eines der vorzüglichsten Möbelstücke unserer 
Congress-Ausstellung jener prächtige Schreibtisch aus dunklem Maha- 
goniholz mit reicher, vergoldeter Bronzeverzierung (Nr. 246, Graf Johann 
Pällfy), der aus dem Schlosse zu Malmaison stammt und Eigenthum 
Napoleon's I. war. Sowohl die Bronze- als auch die Holzarbeit zeigt 
eine virtuose Behandlung. Der Aufsatz mit Cylinder-Pultverschluss ruht 
auf einem tischartigen Gestelle mit zwölf toscanischen Säulen und hat 
eine bewegliche Schreibplatte, welche beim Herausziehen automatisch den 
Cylindermantel hebt, also das Pult öffnet, und umgekehrt beim Zurück- 
schieben wieder schließt. Derartige Mechanismen finden sich an vielen 
Möbeln dieser Zeit und sind auch später, bis auf unsere Tage, häufig 
angewendet worden. Ueber dem eigentlichen Pulte gliedert sich der Aufsatz 
- der Stellung der Füße entsprechend - in drei mit Bronze-Balustraden 
umsäumte, bezw. bekrönte Theile, welche im Innern Fächer und Schub- 
lädchen enthalten. Der mittlere, breitere ragt ein wenig über die Seiten- 
theile empor. Der Einsatz des Pultes, ebenfalls reich mit Bronze decorirt, 
enthält drei Nischen, die nach vorne architektonische Abschlüsse mit 
Korbbögen erhalten haben. Ein treppenartiger Aufgang zu den Nischen 
maskirt Schubladen, welche nur mit Hilfe einer geheimen Vorrichtung 
geöEnet werden können. 
I Auch hierin zeigt sich die Zeit. Versteckte Laden und Fächer, ein 
geheimnissvolles Innere, birgt fast jedes bessere Möbel, und unser 
Schreibtisch enthält außerdem auch noch ein Musikwerk. 
Obwohl es bei den französischen Handwerksmeistern Brauch war, 
die Arbeiten zu signiren, war eine solche Bezeichnung an dem bespro- 
chenen Stücke nicht aufzufinden. Aber wir sind der Meinung, dass als 
Erzeuger dieses Schreibtisches die damals angesehenen Kunsttischler 
vlacobfreresl in Paris zu betrachten seien, denn Zeichnung und Arran- 
gement deuten auf Percier St Fontaine, die beiden hervorragenden fran- 
zösischen Architekten hin, unter deren Leitung die Brüder Jacob das 
Mobiliar des National-Convents und später auch viele Einrichtungsstücke 
für die kaiserlichen Schlösser herstellten. Auch Malrnaison, der damalige 
Wohnsitz Josephinens -. aus dem der Schreibtisch stammt - wurde 
durch Percier neu eingerichtet. '
	        
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