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und die Leistungen der Kunstgewerbeschule von Curs zu Curs aufweisen
sollten - die Weihnachtsausstellungen, welche oft den erfreulichen
Erweis gaben, wie weit das Oesterr. Museum erziehlich, die Stilrichtung
bestimmend auf das Kunsthandwerk, die Kunstindustrie die Jahre über
schrittweise einwirkte - zuletzt die großen, nach einem wohldurchdachten
Programm angeordneten Expositionen, in denen ein Gesammtbild ganzer
Cultur- und Kunstepochen sich zur Schau darbot! Das instructive Theatron,
das hier der Architekt mit echt künstlerischem Raumsinn-trotz des be-
schränkten Ausmaßes anordnete, hat sich unablässig für alle erdenklichen
Ausstellungszwecke verwendbar gezeigt, so sehr man sich auch von Fall
zu Fall vielfach helfen musste.
Das Raumgefühl FersteVs hat sich nicht minder in den Sälen für
die Sammlungen bewährt, die sich beiderseits an den Arcadenhof an-
schließen. Die mittleren sind bekanntlich Oberlichtsäle, die äußeren
empfangen reichliches Seitenlicht durch die großen Bogenfenster. Die
hohen Voluten und durch den Einsatz der Glasdecke nur mäßig be-
schränkten Plafonds der ersteren gestatteten die Beiziehung bildnerischen
und malerischen Schmuckes. Der Plafond des linken Saales wurde mit
trefflichen Reliefs von E. Melnitzky geziert, welche von vergoldeten Or-
namenten gefasst und umrankt, die verschiedenen Techniken darstellen.
Der rechte Oberlichtsaal erhielt am geschwungenen Hochfries Medaillen-
bilder in stilvoller Einrahmung von Prof. Eisenmenger, die zu seinen
edelsten Erfindungen gehören: sie verbildlichen die Wirklichkeit und die
Schönheit, die Poesie und die Wissenschaft, dann Allegorien für die
Kunstepochen. Von der Galerie aus öffnen sich nach diesen beiden Sälen
für den Niederblick Balkone an den inneren Schmalseiten: einer der-
selben - ein Citat aus der Frührenaissance - ist der Kanzel Brunellescds
aus der Badia bei Fiesole nachgebildet. Die äußeren Säle weisen nach
bewährten Renaissancemustern angeordnete Felderdecken auf. Besonders
schön ist jene des Sitzungssaales: auch wieder ein Lehrbeispiel. Hier im
Vorlesesaale sitzen wir unter einer Decke, deren Vorbild sich in der
Cancellaria Bramante's beßndet. ü
Das Gebäude des Oesterr. Museums, das wir bis jetzt nur mit Rück-
sicht auf seine unmittelbare Bestimmung und die derselben gemäße künst-
lerische Ausgestaltung betrachtet haben, stellt zugleich eine wichtige Etappe
in dem Meistergange Ferstel's dar. Die Conception dieses Baues war die
erste programmgemäß gefasste Darlegung dessen, was unser Architekt
unter nRenaissancem und deren Verwendung für moderne Bauzwecke ver-
stand. Und zwar im vollen Vereine der Architektur mit Reliefzierden und
Malerei, die beide in die architektonische Composition eingerechnet, mit
ihr auf denselben Accord gestimmt sein sollten.
Jeder ernste, zielbewusste Architekt der Gegenwart ist bestrebt, eine
neue, zeitgemäße Interpretation eines oder des anderen historischen Stiles