scheiden von derjenigen, die der gemeine Sprachgebrauch im Sinne hat,
wenn er von vRenaissanceu schlechtweg spricht. Der gemeine Sprach-
gebrauch versteht unter wReuaissanceu in den meisten Fällen die
italienische Renaissance des I5. Jahrhunderts. Es ist dies allerdings
gewiss weitaus die wichtigste Renaissance, die von der Kunstgeschichte
bisher überhaupt festgestellt worden ist. Aber es hat schon vor der
italienischen Renaissance des 15. Jahrhunderts, dem sogenannten Quattro-
cento, in der Entwicklung der Kunst im Allgemeinen Erscheinungen
gegeben, die wir mit vollem Rechte ebenfalls als Renaissancen be-
zeichnen dürfen.
So berichtet die Kunstgeschichte einmal von einer Karolingischen
Renaissance. Sie verdankt ihre Entstehung wesentlich dem unmittelbaren
Eingreifen Karls des Großen und seiner hochgebildeten Hofgenossen in
das Kunstleben ihrer Zeit. Nicht als ob es beim Regierungsantritt des
großen Königs seinen Franken, Burgundern, Alemannen, Bayern u. s. w.
an Kunst überhaupt gefehlt hätte; aber es war im Wesentlichen blos
der Schmuck, worauf das Kunstschaffen dieser, der Barbarei kaum ent-
rissenen Völker gerichtet war. Und die Formen, in welche dieser Schmuck
gekleidet war, entbebrten vielfach einer höheren Bedeutsamkeit; die
Ornamente beschränkten sich zumeist auf geometrische Configurationen:
Zickzack, Sternrnuster, Bandverschlingungen u. dgl. Auf seinen Kriegs-
zügen gelangte Karl der Große nach Italien und lernte dort die Denk-
mäler der großen, römisch-antiken Kunst durch den Augenschein kennen.
Sein Verdienst ist es nun, dass er auch sofort klar und scharf erkannt
hat, wie hoch die alten römischen Kunstwerke über denjenigen standen,
die zu seiner Zeit im Frankenreiche und in Italien gefertigt wurden.
Denn unmittelbar aus dieser Erkenntniss ergab sich folgerichtig der Wunsch
und das Bestreben, die Kunst seiner Franken auf die einstmalige Höhe
der römischen zu bringen. Die Früchte dieses Bestreben: sind es, die
wir als die wKarolingische Renaissäncea zu bezeichnen pßegen.
Eine nähere Betrachtung derselben lehrt sofort, dass es sich dabei
durchaus nicht darum gehandelt hat, etwas von Grund aus neues zu
schaffen. Man sprach im 8. Jahrhundert, d. i. in der Zeit als Karl der
Große den Thron bestieg, künstlerisch sozusagen noch immer dieselbe
Sprache wie im 4. und 5. Jahrhundert, in den letzten Jahrhunderten der
Römerzeit; aber man sprach jetzt einen verwilderten Dialekt davon.
Man baute z. B. im Frankenreiche vor der Thronbesteigung Karls des
Großen ebensolche Basiliken nach genau dem gleichen Grundplan, wie
schon zur Römerzeit, im 4,. Jahrhundert, aber man vernachlässigte daran
die höheren Gesetze der Schönheit, die die Römer niemals, bis in die
späteste Zeit nicht, außeracht gelassen hatten.
Parallelen aus anderen Cultur-Gebieten werden uns das Wesen der
von Karl dem Großen begonnenen Neuerung auf künstlerischem Ge-
biete, der Karolingischen Renaissance, am besten verstehen helfen. Die