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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 4)

Vorlesungen. Am 14. Februar hielt Hofcaplan Dr. Heinrich Swoboda einen 
Vortrag sUeber das Pararnent und seine Geschichten. - Am u. Februar sprach Prof. 
Julius Kajetan aUeber modernes technisches Zeichnenr. Wir werden auf den lnhalt 
dieser Vorlesungen in spatercn Nummern eingehender zurückkommen. 
- Am 28. Februar hielt Herr Dr. Eduard Leisching einen Vortrag v-Ueber die 
Kunst und Cultur zur Zeit des Wiener Congressesu. Der Vortragende verwies auf das 
Programm der im Januar 1896 zu erüfnenden Wiener Congress-Ausstellung 'und hob 
hervor, dass es sich bei dieser Ausstellung urn die Charakterisirung nicht allein des 
Congressjahres, sondern der ganzen Epoche von 1800 bis etwa 1825 handle. Zunachst 
entrollte Dr. Leisching ein Bild der [Stadt Wien unler Kaiser Franz, ihres baulichen 
Charakters, ihrer Ausgestaltung, der Verbindung der Stadt mit den Vororten, der öffent- 
lichen lnstitute, erinnerte dabei an die bedeutungsvolle Errichtung der technischen Schule, 
an die besondere Fürsorge, welche Kaiser Franz dieser Lieblingsschbpfung widmete, an 
die Entwicklung einzelner lndustrien, wie der Seidenindustrie, an die in diese Epoche 
fallende Blüthe der Wiener Porzellanfabrik, deren Stil und künstlerische Thatigkeit er 
schilderte, woran sich eine Charakteristik des Empirestils im Kunstgewerbe überhaupt 
anschloss, wie er sich zur Antike und zur Renaissance verhalt, wie er das Mobel und 
die gesammte Einrichtung der Wohnräume gestaltet hat u. s. w. Auch das Costüme des 
ersten Viertels unseres Jahrhunderts wurde besprochen. Sodann ging der Vortragende 
zur Würdigung der hohen Kunst dieser Epoche über, besprach die litterarischen und 
wissenschaltlichen Voraussetzungen der Erneuerung der Antike und das Verhaltniss von 
Antike und Natur, welches, nur langsam sich klürend, die gesammte Kunstentwicklung 
des tg. Jahrhunderts beeinßusst hat, und] charaktersirte die Hauptvertreter der classi- 
cistischen Malerei, Sculptur und Architektur Oesterreicha, Deutschlands, Frankreichs, 
Italiens und Englands in ihren nervorragendsten Werken. Hierauf besprach der Vor- 
tragende Ursache, Entwicklung und Bedeutung jener in Litteratur und bildender Kunst 
schon zu Beginn des Jahrhunderts auftauchenden, Romantik genannten Gegenstromung, 
welche vor Allem aus den vom Classicismus unbefriedigt gelassenen religiösen und natio- 
nalen Stimmungen des Volkes erwachsen ist, und erlauterte vor Allem Stil und Inhalt 
der Werke der Klosterbrüder von S. lsidoro. Der Vortragende schloss mit einem Hin- 
blick auf die litterarische Bedeutung des ersten Viertels unseres Jahrhunderts und auf 
die achtunggebietende Stellung, welche wahrend dieser Epoche Wien auf dem Gebiete 
der Poesie, der Musik, der Wissenschaft und des Theaters eingenommen hat. 
- Qistosadjunct Dr. Karl Masner sprach am 7. März über Aquileja, am 14. Mirz 
über Carnuntum, das eine das kunatreiche Handelsemporium an der Adria, das andere 
die nüchterne provinzielle Lagerstadt an der äußersten Grenze des römischen Reiches. 
Bei allen Verschiedenheiten haben aber diese zwei antiken Städte-lndividualitäten viel- 
fache Berührungspunkte, vor Allem den, dass die Bewohner der jetzt österreichischen 
Alpen- und Donaulander in Aquileja ihr culturelles und commerzielles Centrum hatten. 
Und die Einbeziehung jener in das römische Reich, welche die Anlegung einer Festung 
in der Nähe des keltischen Dorfes Carnuntum zur Folge hatte, iat nur die großartige, 
um mehr als x50 Jahre später durchgeführte Erweiterung jener Defensivmaßregeln gegen 
die Barbaren des Nordens, die im Jahre 181 zur Gründung von Aquileja geführt hatten. 
Außer einer Schilderung der landschaftlichen Scenerie gab jeder der beiden Vorträge 
einen Ueberblick der Geschichte und eine kunsthistorische Charakteristik der betreßenden 
Städte. ln Aquileja, das seit dem frühen Mittelalter als bequemer Steinbruch für die 
Bewohner der venezianischen Lagune gedient hat, ist, wie es scheint, die Möglichkeit zur 
Feststellung des alten Stadtbildes für alle Zeit vernichtet. Die Bedeutung dieses Ortes für 
die Wissenschaft liegt in den zahllosen, hier gefundenen Werken der Plastik und der 
Kunstindustrie, die nunmehr das erfreulich aufblühende Staatamuseutn vor der Ver- 
achleppung bewahrt. Der große Katalog der Sculpturen von Aquileja, den Majonica be- 
arbeitet, wird einen höchst werthvollen Beitrag zur Kenntnisa der römischen Kunst 
liefern. Auf dem Gebiete der Kleinkünate ragen die Objecte aus Glas, die sich durch 
höchst frappante Analogien als Vorläufer der venezianischen erweisen, und diejenigen 
aus Bernstein besonders hervor. Umfassendem Studium und sorgsamer Vergleichung 
der österreichischen Funde bleibt es vorbehalten, den Charakter der Kunstindustrie von 
Aquileja genauer zu prücisiren und die Ausdehnung seines Exportes zu bestimmen. 
Günstiger für topographische Aufklarungen als in Aquileja liegen die Verhältnisse in 
Carnuntum, da von dieser Gegend die moderne Cultur weder intensiv noch extensiv so 
weit Besitz ergriffen hat, urn allzuviel des Antiken zerstören zu können. Schlag auf 
Schlag sind hier, seitdem der Verein xCarnuntumt seine Thitigkeit begonnen hat, 
wichtige Entdeckungen gefolgt, so die des Amphitheaters, des Lagers, des Nemesis- und 
des Dolichenus-Heiligthumes, der Straße in Petronell und erst am Schlüsse des ver- 
flossenen Jahres die Ausgrabung des großen Mithräums mit seinem in kunatmytholo- 
gischer Hinsicht einzig dastehenden Altare, dessen Reliefs Personilicationen der Jahres-
	        
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