Befruchtung des Kunstschalfens; das ist in dem sogenannten Stil Louis XVl.
geschehen, den u. A. Gottfried Semper eine kleine Renaissance genannt
hat, weil diesem Stil in der That nicht alle Originalität abzusprechen ist.
Als aber die Kunstgeschichte endlich die unbestrittene Dictatur erlangt
hatte, begann jene kahle und völlig unfruchtbare Kunstperiode, die wir
nach Napoleon l. das Empire nennen, die aber weit herab bis gegen
die Mitte des ig. Jahrhunderts geherrscht hat. Es ist bezeichnend, dass
die ganze Zeit des Empirestils hindurch sich immer wieder schüchterne
Versuche wiederholt haben, gleichsam tastend an die der classicistischen
unmittelbar vorangegangene Stilweise, d. h. an das Rococo anzuknüpfen.
Man erkennt daraus, wie die Künstler selbst es zeitweilig empfunden
haben mussten, dass bei der strengen Nachahmung der griechischen
Antike nichts Bleibendes, Fruchtbares, Zukunftsreiches herauskommen
könne. Zum allgemeinen Bewusstsein ist die Hoffnungslosigkeit der classi-
cistischen Bestrebungen erst gegen die Mitte des Jahrhunderts durchge-
drungen. Bis dahin hatte man immer noch im Wahne gelebt, dass sich
die Kunstentwicklung in einer aufsteigenden Linie bewegt, dass man den
Blick nach vorwärts, in die Zukunft gerichtet hätte, während man bereits
thatsächlich beharrlich nach rückwärts schaute.
Um das Jahr 1850 war die Einsicht endlich eine ziemlich allgemeine
geworden, dass die Nachahmung der altgriechischen Antike die gehoHte
Verjüngung der Kunst nicht gebracht hatte. Man empfand wiederum,
dass es mit der Kunst auf dem bisherigen Wege nicht weiter gehen könne.
Da zeigte sich nun erst recht die ganze verhängnissvolle Bedeutung jenes
Momentes, da man zum ersten Male die herkömmliche Bahn des eigenen
nationalen Schaffens verlassen und die Formen einer auf fremdem Boden
erwachsenen Kunst nachzuahmen sich entschlossen hatte. Alle Kraft zu
einer Selbstbestimmung war in Folge dessen aus der deutschen Kunst
gewichen; sie konnte sich nur mehr bewegen in Anlehnung an eine fremde
Kunst. An Stelle der griechischen Antike musste abermals eine andere,
und zwar eine fremde Kunstweise als nunmehr zu beobachtendes neues
Vorbild gesetzt werden. Wer vermochte aber eine solche Kunstweise zu
lehren? Wiederum nur die Kunstgeschichte. Anstatt sich von derselben
zu emancipiren, begab man sich abermals in ihre Knechtschaft.
Welches war nun die Kunstweise, der man sich jetzt als neuem,
leitendem Vorbilde überließ? Der griechischen Antike zunächst gelegen
wäre die römische Antike gewesen, d. i._jene Kunstweise, der alle die
glorreichen früheren Renaissancen ihre so fruchtbringende Entstehung zu
verdanken hatten. Aber von dieser Antike wollte die damalige Kunst-
geschichte nichts wissen. Das Römische galt als Verfallszeit, als die Zeit
einer verwerflichen Trübung des reinen hellenischen Schönheitsgedankens;
die Kunstgeschichte fand es nicht passend, sich damit zu beschäftigen,
und damit war zugleich gesagt, dass auch die schalfende Kunst selbst
mit der römischen Antike nichts zu thun haben dlirfte. Diese verhäng-