Es möge hier gleich mit einigen Worten eine sehr wichtige Folge
Andeutung finden, die der besprochene Umstand auf das Verhältniss der
einzelnen Künste zu einander ausgeübt hat. In der italienischen Renaissance-
zeit wurde es gerühmt, dass die Künstler zumeist alle drei großen Disciplinen
beherrschten; sie waren sehr häufig zugleich Maler, Bildhauer und Archi-
tekten. Zwei Künste wenigstens beherrschten sie alle; Künstler wie Tizian
oder Correggio, die blos Maler gewesen sind, waren eben Ausnahmen
und als solche schon zu ihrer Zeit auffallend befunden. Diese Univer-
salität der Künstler, die es ihnen gestattete, ein Gebäude mit sammt
seinem plastischen und malerischen Schmucke als ein Ganzes zu ent-
werfen, war es hauptsächlich, die uns ihre Werke, sowohl aus der eigent-
lichen Renaissancezeit, als auch namentlich aus der Barockzeit, so voll-
endet harmonisch, so wie aus einem Gusse entstanden erscheinen lässt.
Konnte ein solches Verhältniss auch unter der Herrschaft der neuen, von
der Kunstgeschichte inspirirten Strömung aufrecht bleiben? Das war schon
darum unmöglich, weil sich für den Künstler jetzt die Nothwendigkeit
eines viel tieferen Studiums ergab, um nur ein einziges Kunstgebiet halb-
wegs beherrschen zu lernen. Der Architekt z. B. hatte sich nunmehr
wenigstens für monumentale Aufgaben eine Stilweise anzueignen, die den
früheren Architekten im Wesentlichen fremd gewesen war, die aus Büchern
erlernt werden musste. Vor Allem hatte er bei den Archäologen in die
Schule zu gehen. Die Heranbildung eines Architekten nahm bereits so
viel Zeit und Mühe in Anspruch, der fertige Architekt hatte so viel zu
thun, um mit der fortschreitenden archäologischen Forschung auf dem
Laufenden zu bleiben, dass für die Pflege der beiden anderen Kunst-
gebiete - der Sculptur und Malerei - bei den Allermeislen keine Zeit
mehr übrig blieb. Mit diesem Einlenken der Kunst in die Nachahmung
der altgriechischen Antike beginnt daher jene entschiedene Arbeitstheilung
auch unter den Künstlern Platz zu greifen, wie sie bekanntlich das indu-
strielle Schaffen der Gegenwart in so markanter Weise charakterisirt.
Man ist nicht mehr Künstler im allgemeinen Sinne, man ist von nun an
.nur mehr entweder Architekt, oder Bildhauer, oder Maler.
Konnte aus einer so peinlichen Nachahmung eines im Grunde so
ganz und gar fremden Kunststiles, wie es im vorigen Jahrhunderte der
althellenische gewesen ist, in der That die erwartete Verjüngung, Wieder-
geburt der Kunst, eine wirkliche Renaissance der Kunst entstehen? Heute
vermögen wir klar einzusehen, dass es von vornherein ein vergebliches
Beginnen war, und die ganze Bewegung ist auch schließlich vorüber-
gegangen, ohne die erwarteten Früchte getragen zu haben. Am Anfange,
also in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, als die Kunst sich
noch nicht so unbedingt in die Gewalt der Kunstgeschichte begeben
hatte, als man in der Antike noch nicht so ausschließlich nur das un-
verfälscht Altgriechische gelten ließ, sondern auch noch das Römische
verwendete, da kam es eher noch zu einer wenigstens vorübergehenden