Bisher ward noch kein Versuch gemacht, die Zeit der Anfertigung
des zuerst beschriebenen Gewebes (Nr. 1) festzustellen. Glücklicherweise
geben die Inschriften die erforderlichen Daten in seltener Vollständigkeit:
Näsir-ed-din Muhämmed war mamlükiscber Sultan von Aegypten und Sy-
rien; da er (mit zweimaliger kurzer Unterbrechung) von 1293-1341 re-
giert hat, kann der Steif nicht der Zeit vor 1293 angehören. Aber auch
nicht nach 1341 kann er angefertigt worden sein, weil der Schriitductus
eine fremde spätere Nachahmung ausschliesst, ein einheimisches
- späteres Gewebe aber im analogen Falle Titel und Namen eines der Nach-
folger Näsir-ed-dinhs führen müsste. Die Aufnahme des jeweiligen Herr-
schernamens in die Ornamente auf Stoffen, Baudenkmälern u. s. w. war
ein ebenso eifersüchtig bewahrtes Mnjestätsrecht im Islam, wie das aut,
den Fürstennamen lautende Münzgepräge und Freitagsgebet.
Die arabischen Historiker berichten es ausdrücklich, wenn ein Herr-
scher auch des ersteren Rechtes verlustig wurde"). Dieselbe Gepdogen-
heit, und dies ist für die spätere Untersuchung von Wichtigkeit, wurde
auch mit der Invasion der Araber nach Spanien übertragen. 'Abd-ur-
rahmän (1- 853) führte dort zuerst die mit Titel und Namen geschmückten
Feierkleider und eigene Landesmünzen ein.
Noch näher iixirt wird aber das Gewebe durch die bereits bemerkte
ZiEer v- (3). Dieselbe ist keineswegs etwa für das dritte Regierungs-
jahr des Sultans oder als Stoifnummer zu deuten, sondern sie bezeichnet
wohl nichts Anderes, als die abgekürzte Jahreszahl (70) 3 der Hidschra,
d. i. 1303f4 n. Chr. Die Muhainmedaner pliegten im Mittelalter auf die
genaueste Weise die verschiedensten Gegenstände ihrer Kunst- und In-
dustrieerzeugnisse mit Zeitdaten zu versehen, und nicht selten wurden in
solchen Fällen bei den Jahreszahlen die Hunderte weggelassen, wie dies
auch die Münzen eben dieses Sultans Näsir-ed-din beweisen.
Unter 45 Exemplaren in meiner Sammlung haben deren 13 die Jahres-
zahlen auf jene Weise abgekürzt, womit also wohl ein hinreichender
Beleg für die Richtigkeit meiner obigen Erklärung gegeben ist.
Um aber noch einen weiteren Beweis zu liefern, wie die muhamme-
danische Numismatik in gewissen Fällen auch zur chronologischen Be-
stimmung von Geweben fordernd einzugreifen vermag, bemerke ich gleich
hier, dass jener Stoff bei Bock, I, Taf. VI, p. 41 f., dessen Inschrihen
Herr Adrien de Longperier bereits richtig gelesen, schon nach den vorher
entwickelten allgemeinen Regeln keinesfalls, wie Bock andeutet, nach
Spanien und in's XIII. Jahrhundert, sondern, wie der schwere, breite,
ornamentale Münzductus zeigt, nach Aegypten oder Syrien in's XIV. Jahr-
hundert gehört; ja noch mehr, die von acht Halbbögen gebildeten klei-
neren Ornamente weisen durch die Anordnung ihrer Schriftzeilen zwischen
i) Z. B. es-Sojüthi, Tßrieh el-Ghuleü, ed. Oßlculh, 1857, p- r"
147 '
zwei wagrechten Balken und Arahesken zur Bestätigung des paläogra-
phischen Resultate eine Figuration auf, wie sie in getreuer Wiedergabe
eben nur allein den damascenischen Geprägen des obengeuannten Mam-
lüken-Sultäxfs eigen ist.
(Fortsetzung folgt.)
Dr. Joseph Karabßcek.
Neue Erwerbungen des Museums.
Einige interessante und werthvolle Bereicherungen, die die Samm-
lungen des österreichischen Museums in letzterer Zeit erfahren haben,
geben uns Anlass, die Leser der Mittheilungen mit dem Bemerkenswer-
thesten darunter bekannt zu machen.
Hierher gehört vor allem eine Reihe orientalischer Gegenstände, die
Se. kaiserl. Hoheit der Herr Erzherzog R a i u e r . Protector des Museums,
auf einer Reise nach Egypten acquirirt und der Anstalt zum Geschenke
gemacht hat, als das wichtigste und seltenste Stück eine altorientalische
Hängelampe von Glas, eines der wenigen Exemplare dieser Gattung,
die sich aus den Zeiten des Mittelalters erhalten haben und nach Europa.
gelangt sind. Diese Lampen haben, wie vielleicht manche unserer Leser
schon (wissenf), die Form zweier mit den Spitzen ineinander geschobener
Kegel, darunter ein kurzer Fuss und um den untern kegelförmigen Theil
herum Ohren zum Aufnehmen der Schnüre, an denen die Lampe hängt;
der untere Theil dient zur Aufnahme von Wasser, der obere enthält das
Oel, auf dem das Licht schwimmt.
Die ganze Aussenseite ist mit Ornamenten in aufgeschmelzten Email-
farhen und Vergoldungen im reinsten asiatisch- orientalischen Style, zu-
weilen auch mit Schriftzeichen, Koransprüchen, geziert. Die Farben, die
angewendet erscheinen, sind ausser dem Golde zumeist Weiss, Türkis-
blau, Gelb, Grün und Zinnoberroth. Die Masse des Glases hat einen pracht-
vollen goldigeu Ton, an dessen Abwesenheit oder Unvollkommenheit man
auch ein Merkmal hat, moderne Imitationen zu erkennen.
Was nun die Fabrication dieser Lampen und ähnlich verzierter Glas-
geriithe anbetrifft, scheint sie im Mittelalter vielleicht inSyrien betrieben
worden zu sein, an sichern Daten hierüber fehlt es jedoch vollständig-
vielleicht ist sie noch ein Zweig der uralten vorderasiatischen Glastech-
nik -- jedenfalls sind ihre Erzeugnisse sowohl in künstlerischer als in
archäologischer Beziehung höchst werthvoll. Ihre Verwendung fanden'
und finden zum Theile noch heute derartige Lampen in Moscheen, an
Gräbern von Heiligen etc., und noch manches schöne, freilich europäischer
') Eine moderne Imitation einer derartigen Lampe von lßrocart in Paris befindet
sich schon seil längerer Zeit im Muaamn. ,