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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 9)

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aDie Praxis sei die Lehrmeister-in, nicht die abstracte Wissenschaftu 
Also fort mit dem Spectrum, mit den Complementlrfarben und dergleichen Dingen! 
Nunmehr soll neben der nallgemeinen Betrachtung der Farbtone in der Natura, von der 
nach des Verfassers Anschauung ausgegangen werden soll, uneben der äußeren Farben- 
welt- - ein nationales Motiv entscheidend auf die BCStimmüng und die Wahl des vor- 
zuführenden Farbenschatzes einwirken. So -kann auch die Sprache eine Anleitung zur 
Erkenntniss der Farben geben. Jede Sprache unterscheidet diejenigen Farben, die das 
betreffende Volk als verschiedenartige erkennt; wir Deutsche, heißt es, nwerden 
daher diejenigen Farbentöne, welche wir mit einfachen alten deutschen 
Stammworten bezeichnet finden. als Hauptfarben anzusehen habenc. nLedig- 
lich nach der unbewussten Auffassung des Gefühles und nach den Begriffen der Sprache: 
werden daraufhin die Farben fünf Geschlechtern eingeordnet, nämlich dem schwarz- 
weißen, dem fahlbraunen, dem gelb-rothen, dem blauen und dem grünen. Innerhalb 
eines jeden Farbengeschlechtes, mit Ausnahme des ersten, gibt es Abstufungen, anderen 
verwandten Geschlechtern sich nähernd, ferner alle möglichen Helligkeitsgrade. Aus den 
die einzelnen Nuancen dieser Geschlechter reprlsentirenden Farbstoßen sollen Misch- 
farben bereitet werden. Die Mischung einer Farbe des schwarz-weißen Geschlechtes 
mit einer anderen aus einer der übrigen Gruppen gibt eine gebrochene Farbe. Auf nun- 
erwartete Ergebnisse: einiger Mischungen (z. B. von Zinnober mit Weiß, von Schwarz 
mit Chromgelb u. s. w.) soll beim Unterrichte hingewiesen werden. Als Ursache wird 
hier angegeben, dass in solchen Mischungen nßestandtheile der Farbstoffe zur Geltung 
kommen, die man in der nganzenu Farbe nicht sieht-. (Van Wirkungen physikalischer 
Natur zu sprechen, ware ja um jeden Preis zu vermeiden.) ln der wLehre von der Har- 
monie der Farbenu wird es als von der größten Wichtigkeit bezeichnet, udass der 
Schüler. welcher die Farben kennen und anwenden lernen soll, zunächst 
solche Zusammenstellungen vornimmt, welche auf einfachen Stim- 
mungen beruhenn. Solche einfache Stimmungen entsprechen der Zusammenstellung 
von Farben ein und desselben Geschlechtes. 
Farben aus zwei verschiedenen Geschlechtern sollen durch ihren Gegensatz wirken 
(Harmonie des Contrastes); es wird jedoch ausdrücklich angezweifelt, adass die optischen 
oder die physiologischen Beziehungen der Erganzungsfarben der Grund für die ästhetisch 
befriedigende Wirkung der Zusammenstellung dieser Farben sinda. 
Bezüglich der Verbindung von zwei, drei und mehr Farben werden noch zahl- 
reiche Regeln angegeben. Bei Farbenpaaren sollen die unbestimmten Farben, uwelche 
an den Uebergangsstellen von einem Farbengeschlechte in's andere liegena, vermieden 
werden. nDie äußersten oder reinen (ganzen) Farben dürfen nur in kleinen Partien oder 
in Verbindung mit Schwarz und Weiß verwendet werdenn Die lebhafteren Farben 
sollen sich mehr für das Muster eignen, die matteren für den Grund. Bei Verbindungen 
aus drei oder mehreren Farbengeschlecbtern soll als Regel gelten, die Hauptfarben eines 
Bildes in mehreren Schattirungen anzubringen. Farben gleicher Lichtstirke sollen nicht 
aneinanderstoßen, sondern helle neben dunklen stehen, u. dgl. m. 
Vor der Zusammenstellung der reinen Farben, Roth, Grün, Blau und Gelb, wird 
gewarnt. Sie astimmen entschieden nicht miteinander-i. 
Endlich werden noch sechs Punkte angeführt, deren Wichtigkeit, hier rnit Ruck- 
sicht auf das gewerbliche Zeichnen und Malen hervorgehoben, auf dem Gebiete der 
Farbenlehre schon langst anerkannt ist: Die Bedeutung der Umrisslinien. Die Wechsel- 
wirkung von Grund und Muster. Die Einwirkung verschiedener Beleuchtung auf die 
Farben. Die Veränderung der Localtone durch Schatten. Die Beziehungen der Stoffe 
zu den Farben und die Farbenvertheilung. Leider erwähnt sie der Verfasser nur, nohne 
auf einzelne Regeln aus dem Gebiete der Farbenlehre besonders einzugehenl. 
Nach allem Vorgebrachten sollte man nun wohl denken, es sei der Verfasser von 
dem Wunsche beseelt, die Lernenden vor Allem unter Wahrung ihrer individuellen Be- 
thatigungen des Farbengefühls mannigfaltige und freie Uebungen im Zusammenstellen von 
Farbengruppen vornehmen zu lassen, um die auf dem Wege der praktischen Versuche 
gewonnenen, durch rein subjective Anschauung gebilligten EEecte sogleich frisch und 
Gott zu verwerthen, wenn auch zunächst nur zur coloristischen Ausstattung einfachster, 
ornamenlaler Gebilde. Doch wir werden eines Anderen belehrt. -Das Zusammenstellen 
der Farben zu üben und dafür einzelne Regeln auszubildena, die Lehre von der Har- 
monie der Farben soll überhaupt erst die Aufgabe der obersten Stufe des gewerb- 
liehen Unterrichts sein und zur Vorbereitung für diese lFarbenlehre im engeren Sinnes 
will der Verfasser lIngere Curse in der ntechnischen Anwendung der Farben einführen. 
Auf den Farbenton selbst kommt ea ihm bei den ersten Versuchen gar nicht an. Um 
nden Schüler durch die Farbe nicht von dem Aufmerken auf die technischen Schwierig- 
keiten ablenken zu lassenu, soll am besten mit ueinfscbem Grau: der Anfang gemacht 
und auch im weiteren Fortschritt nnicht gerade die reinen Farben, sondern die matteren 
Tones gewählt werden. IDie besondere Eigenart der Farbe, die zur Anwendung kornmtu,
	        
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