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aDie Praxis sei die Lehrmeister-in, nicht die abstracte Wissenschaftu
Also fort mit dem Spectrum, mit den Complementlrfarben und dergleichen Dingen!
Nunmehr soll neben der nallgemeinen Betrachtung der Farbtone in der Natura, von der
nach des Verfassers Anschauung ausgegangen werden soll, uneben der äußeren Farben-
welt- - ein nationales Motiv entscheidend auf die BCStimmüng und die Wahl des vor-
zuführenden Farbenschatzes einwirken. So -kann auch die Sprache eine Anleitung zur
Erkenntniss der Farben geben. Jede Sprache unterscheidet diejenigen Farben, die das
betreffende Volk als verschiedenartige erkennt; wir Deutsche, heißt es, nwerden
daher diejenigen Farbentöne, welche wir mit einfachen alten deutschen
Stammworten bezeichnet finden. als Hauptfarben anzusehen habenc. nLedig-
lich nach der unbewussten Auffassung des Gefühles und nach den Begriffen der Sprache:
werden daraufhin die Farben fünf Geschlechtern eingeordnet, nämlich dem schwarz-
weißen, dem fahlbraunen, dem gelb-rothen, dem blauen und dem grünen. Innerhalb
eines jeden Farbengeschlechtes, mit Ausnahme des ersten, gibt es Abstufungen, anderen
verwandten Geschlechtern sich nähernd, ferner alle möglichen Helligkeitsgrade. Aus den
die einzelnen Nuancen dieser Geschlechter reprlsentirenden Farbstoßen sollen Misch-
farben bereitet werden. Die Mischung einer Farbe des schwarz-weißen Geschlechtes
mit einer anderen aus einer der übrigen Gruppen gibt eine gebrochene Farbe. Auf nun-
erwartete Ergebnisse: einiger Mischungen (z. B. von Zinnober mit Weiß, von Schwarz
mit Chromgelb u. s. w.) soll beim Unterrichte hingewiesen werden. Als Ursache wird
hier angegeben, dass in solchen Mischungen nßestandtheile der Farbstoffe zur Geltung
kommen, die man in der nganzenu Farbe nicht sieht-. (Van Wirkungen physikalischer
Natur zu sprechen, ware ja um jeden Preis zu vermeiden.) ln der wLehre von der Har-
monie der Farbenu wird es als von der größten Wichtigkeit bezeichnet, udass der
Schüler. welcher die Farben kennen und anwenden lernen soll, zunächst
solche Zusammenstellungen vornimmt, welche auf einfachen Stim-
mungen beruhenn. Solche einfache Stimmungen entsprechen der Zusammenstellung
von Farben ein und desselben Geschlechtes.
Farben aus zwei verschiedenen Geschlechtern sollen durch ihren Gegensatz wirken
(Harmonie des Contrastes); es wird jedoch ausdrücklich angezweifelt, adass die optischen
oder die physiologischen Beziehungen der Erganzungsfarben der Grund für die ästhetisch
befriedigende Wirkung der Zusammenstellung dieser Farben sinda.
Bezüglich der Verbindung von zwei, drei und mehr Farben werden noch zahl-
reiche Regeln angegeben. Bei Farbenpaaren sollen die unbestimmten Farben, uwelche
an den Uebergangsstellen von einem Farbengeschlechte in's andere liegena, vermieden
werden. nDie äußersten oder reinen (ganzen) Farben dürfen nur in kleinen Partien oder
in Verbindung mit Schwarz und Weiß verwendet werdenn Die lebhafteren Farben
sollen sich mehr für das Muster eignen, die matteren für den Grund. Bei Verbindungen
aus drei oder mehreren Farbengeschlecbtern soll als Regel gelten, die Hauptfarben eines
Bildes in mehreren Schattirungen anzubringen. Farben gleicher Lichtstirke sollen nicht
aneinanderstoßen, sondern helle neben dunklen stehen, u. dgl. m.
Vor der Zusammenstellung der reinen Farben, Roth, Grün, Blau und Gelb, wird
gewarnt. Sie astimmen entschieden nicht miteinander-i.
Endlich werden noch sechs Punkte angeführt, deren Wichtigkeit, hier rnit Ruck-
sicht auf das gewerbliche Zeichnen und Malen hervorgehoben, auf dem Gebiete der
Farbenlehre schon langst anerkannt ist: Die Bedeutung der Umrisslinien. Die Wechsel-
wirkung von Grund und Muster. Die Einwirkung verschiedener Beleuchtung auf die
Farben. Die Veränderung der Localtone durch Schatten. Die Beziehungen der Stoffe
zu den Farben und die Farbenvertheilung. Leider erwähnt sie der Verfasser nur, nohne
auf einzelne Regeln aus dem Gebiete der Farbenlehre besonders einzugehenl.
Nach allem Vorgebrachten sollte man nun wohl denken, es sei der Verfasser von
dem Wunsche beseelt, die Lernenden vor Allem unter Wahrung ihrer individuellen Be-
thatigungen des Farbengefühls mannigfaltige und freie Uebungen im Zusammenstellen von
Farbengruppen vornehmen zu lassen, um die auf dem Wege der praktischen Versuche
gewonnenen, durch rein subjective Anschauung gebilligten EEecte sogleich frisch und
Gott zu verwerthen, wenn auch zunächst nur zur coloristischen Ausstattung einfachster,
ornamenlaler Gebilde. Doch wir werden eines Anderen belehrt. -Das Zusammenstellen
der Farben zu üben und dafür einzelne Regeln auszubildena, die Lehre von der Har-
monie der Farben soll überhaupt erst die Aufgabe der obersten Stufe des gewerb-
liehen Unterrichts sein und zur Vorbereitung für diese lFarbenlehre im engeren Sinnes
will der Verfasser lIngere Curse in der ntechnischen Anwendung der Farben einführen.
Auf den Farbenton selbst kommt ea ihm bei den ersten Versuchen gar nicht an. Um
nden Schüler durch die Farbe nicht von dem Aufmerken auf die technischen Schwierig-
keiten ablenken zu lassenu, soll am besten mit ueinfscbem Grau: der Anfang gemacht
und auch im weiteren Fortschritt nnicht gerade die reinen Farben, sondern die matteren
Tones gewählt werden. IDie besondere Eigenart der Farbe, die zur Anwendung kornmtu,