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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 9)

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Lottvra-Iasoam. lm Louvre-Museum wurde vor mehreren Wochen ein Saal 
' afrikanischer Alterthümer eröffnet, der für die Geschichtsforscher und Archäologen von 
größter Bedeutung sein wird. Der Saal liegt zur Rechten der großen Galerie Denon. 
Ein außerordentlich werthvolles Stück der rein griechischen Kunst ist der Kopf einer 
geflügelten Meduse. Neben ihm beündet sich eine imposante Frauenstatue, die der Hal- 
tung nach zu schließen die Schamhaftigkeit darstellen muss. ie Gewandung umhüllt den 
Körper in wahrhaft prächtigen Falten, die denen sehr ähn ich sind, die man auf den 
Tanagra-Figürchen bemerkt. Eine gleichfalls ganz verhüllte Gestalt römischer Herkunft, 
welcher der Kopf fehlt, bildet das Gegenstück dazu. ln einer Fensternische erblickt man 
einen sehr schonen Bruchtheil eines Sarkophags, der einen gehelinten, die Waffe schwin- 
genden Krieger aufrecht vor einem Pferde darstellt. Diese Gegenstände stammen alle aus 
Algerien und Tunesien. Tripolis hat nur den unteren Theil einer Venus geliefert, die 
ihr Gewand mit der Linken aufhebt; aber es ist eines der schönsten Stücke, besonders 
die Beine sind mit ausgezeichneter Feinheit behandelt. Karthago ist sehr reichlich ver- 
treten, u. A. durch einen riesigen Serapiskopf, der eine Dornen- und Blätterkrone trägt 
und im Barte und in den Haaren Spuren von rother Farbe aufweist; ferner durch einen 
sehr schönen Neptunskopf, bei dem gleichfalls Farbenspuren bemerkbar sind. In diesem 
Theile der Sammlung ist außerdem die Kolossalstatue eines der Dioskuren mit trichter- 
formiger Mütze, einen Zipfel des Gewandes über die linke Schulter geschlagen, einen 
Pferdekopf zu Füßen, hervorzuheben. Eine sehr interessante Sammlung von Bildsaulen 
und Bruchtheilen, die im Jahre i85z von dem Bey von Tunis geschenkt wurde, wird 
hier dem Publicum zum ersten Male zugänglitih gemacht, Der Oberkörper eines nackten 
Mannes, ein in bauschige Kleider gehüllter Acdil, ein prächtiger Torso eines römischen 
Kaisers, dessen Panzer in Relief zwei reizende Darstellungen der Siegesgottin zeigt, 
bilden die Hauptstücke derselben. Die Geschichte dieses Gescbenkes ist sehr merkwürdig; 
die Collection war im Jahre 185a von Tunis auf einem Transportdampfer des Staates 
abgeschickt worden, aber noch nicht in den Besitz des Louvre gelangt, als der Custos, 
Herr de Villelosse, im Jahre 1874 seine Reise nach Tunis unternahm. Man fragte ihn 
dort, ob das Museum mit dem Geschenke zufrieden sei. Er erwiderte, er habe nie davon 
gehört und könne deshalb auch keine Auskunft ertbeilen. Als er darauf nach Frankreich 
zurückkehrte, ließ er Nachforschungen in den Archiven des Louvre anstellen, fand aber 
keine Spur von der Sendung des Bey. Zehn Jahre später besuchte er das Arsenal von 
Toulon und entdeckte da in einem Schuppen eine Sammlung von antiken Bildsaulen, 
über die ihm indessen Niemand Auskunft ertheilen konnte. Er erkundigte sich danach 
im Marineministerium, stöberte in zahllosen Actenbundeln nach und entdeckte schließlich, 
dass das, was er in Toulon gesehen hatte, die berühmte Sendung des Bey aus dem Jahre 
185a sei. Er reclamirte im Namen des Museums die Gegenstände, aber die Marine- 
verwaltung verweigerte die Herausgabe derselben. Um die Sammlung zu erhalten, mussten 
jahrelange Verhandlungen geführt, unzählige Berichte hin- und hergesendet und erbitterte 
Kämpfe zwischen den Bureaux der Marine und der schonen Künste ausgefochten werden. 
 
Ausgrabungen. Die Ausgrabungen am Colosseum in Rom haben zu der Auf- 
deckung einer großen Anlage von sechs mit Halbsäulen verzierten und ursprünglich durch 
Bogen verbundenen Pfeilern geführt, in denen Reste der Thermen des Titus erkannt 
worden sind. Die Thermen sind nach der Vollendung des Colosseun-is rasch gebaut, und 
es ist bemerkenswerth, dass die Maße und Verhältnisse der Architekturglieder des Colos- 
scums genau entsprechend in der neu aufgefundenen Anlage wiederkehren. Von einem 
im 4. oder '5. Jahrhundert vorgenommenen Umbau haben sich neben den Pfeilern und 
Halbsäulen Mauerreste erhalten, die mit Mustern imitirter Marmor-lncrustation bemalt 
sind. Aus ungefähr derselben Zeit stammt die Anlage eines Friedhofes nahe bei dem 
Saulenbau. Es sind mehr als 50 Gräber über einen Flächenraum von 150 Quadratmeter 
hin und in verschiedener Tiefe geöffnet worden. Die Ausstattung war dürftig: ln zehn 
Gräbern fand sich je eine kleine Vase aus Thon; an einem Grabe war eine christliche 
Inschrift noch erhalten. Unter den Einzelfunden, die während der Ausgrabung gemacht 
sind, befinden sich neben vielen Architekturstücken auch zahlreiche Sculptur-Fragmente, 
das Meiste, wie es scheint, geringwerthig, aber nicht Alles; so ist in einem alterthüm- 
liehen weiblichen Torso eine Replik der berühmten sogenannten Hestia Giustiniani des 
Museo Torlonia zum Vorschein gekommen. 
Für die lledncdon venuumrtlich : J. Fulvluic: und F. Ritter. 
Sellnlverllg des lt. k. OGIIGII. Mulnlmu für Kunsl und lnduslriu. 
Bnrhdnlcknd von cm GumlrPl au... n. um.
	        
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