Ein Blick in das Handbuch der Malerei
vom Berge Athos.
Von Hans Macht.
Mit wahrer Begeisterung empfing in den Vierziger Jahren der ältere
Didron die Copie einer Handschrift der in vielen Exemplaren verbrei-
teten (Egpqwsla 117g Cmypvzqaiuilg. In ihr sollte Alles zu finden sein, was
die Maler in der Mönchsrepublik auf der chalkidischen Halbinsel zu
wissen und zu können brauchten, um ihre Bilder heiliger Gestalten nach
fester, dauernder, ja als unabänderlich zu betrachtender Regel zu schaffen.
In der That war dieser geschriebene Führer der größten Beachtung
würdig. Enthielt er doch eine christliche lkonographie von solcher Voll-
ständigkeit und Klarheit, dass sein Werth sich hiedurch als dauernd
unschätzbar erweisen musste. In weit geringerem Maße konnte der auf
das Technische der Malerei sich beziehende Text befriedigen. Von dem
ersten Theile des Buches, um den es sich hier handelt, sagt Didron
selbst, dass er Manches zu wünschen übrig lasse. Beim ersten Anblick
scheine er der wichtigste zu sein, nachher aber finde man, dass er nur
geringen Werth habe. Die angegebenen Recepte verstehe man entweder
schlecht oder gar nicht. Vielleicht wäre Didron's Urtheil minder herb
ausgefallen, hätte er außer dem Gutachten eines ausgezeichneten Pharma-
zeuten, des Professors Mialle von der Illcole de medecine in Paris, auch
noch das eines erfahrenen Kunsttechnikers eingeholt. Der genannte Theil
des Handbuches enthält nämlich weder so wenig Verständliches noch so
wenig überhaupt, als man nach Diclron's Bemerkungen erwarten könnte;
allerdings wenig zur Förderung des Praktikers, immerhin aber genug,
um die Werkweise einer uralten Kunst unserem Blicke näher zu rücken
und der Beurtheilung zum größten Theile zugänglich zu machen.
Der Nachweis der Richtigkeit des eben Gesagten mag für den
Knnstfreund wohl nicht ohne Interesse sein. In Folgendem soll dieser
Nachweis versucht werden.
Meinen Ausführungen liegen zwei Ausgaben des Handbuches zu
Grunde: Didron aine et Paul Durand, Manuel d'lconographie ehre-
tienne, grecque et latine. Paris 1844, und Godehard Schäfer, Das
Handbuch der Malerei vom Berge Athos. Trier 1855. - Soweit ich
beide Uebersetzungen des neugriechischen Textes zu vergleichen Ursache
hatte, zeigte ihr Inhalt keine sehr wesentlichen Differenzen. Dessen-
ungeachtet war die gleichzeitige Benützung beider von Vortheil. Die
deutsche, sehr gründlich behandelte Ausgabe nützte übrigens durch auf-
klärende Zusätze die viel zum Verständniss des Ganzen beitrugen. Höchst
willkommen mussten auch die in ihr enthaltenen zahlreichen Anführungen
aus dem Originaltexte sein, die hauptsächlich mit der Terminologie in
Zusammenhang stehen. Ich konnte auch aus diesem Umstande einige
Male Nutzen ziehen.