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Der Verein trat mit 135 Mitgliedern in's Leben; diese Zahl steigerte
sich im zweiten Vereinsiahre auf 182, gegenwärtig besitzt derselbe 222.
ordentliche Mitglieder und 8 Ehrenmitglieder (Exc. Graf Zichy, Durch-
laucht Prinz zu Hohenlohe, Exc. Dr. Freiherr v. Gautsch, Exc. Minister
des Innern Marqnis Bacquehem, Sectionschef Graf Latour, Director Hof-
rath v. Falke, Director Hofrath Storck, Vice-Director Reg-Rath Bucher).
Das Vereinsvermögen beziffert sich gegenwärtig auf rund 25.000 H.
Der Verein hat während seines Bestandes im Oesterr. Museum zehn
Weihnachts-Ansstellnngen (darunter drei allgemeine: 1890, t891 und t8g3),
ferner acht Frühjahrs-Ausstellungen veranstaltet. Im Jahre t885 betheiligte
er sich in hervorragender Weise an der Ausstellung in Antwerpen, bei
welchem Anlasse ihm von der Jury einstimmig das Ehrendiplom zuerkannt
wurde; im Jahre 1888 an der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung in Wien
und an der deutschnationalen Kunstgewerbe-Ausstellung in München; im
Jahre i88g an der Jubiläums-Ausstellung des Oesterr. Museums; im Jahre
189i an der Ausstellung der wSocieta degli Amici deIPArteM in Triest und
an der deutschen Fächer-Ausstellung in Karlsruhe, und 1893 an der
Weltausstellung in Chicago. Im letzteren Jahre veranstaltete der Verein
selbständig eine Kunstgewerbe-Ausstellung in Genf; gegenwärtig ist er
mit den Vorarbeiten für die im heurigen Jahre in Antwerpen stattfindende
Weltausstellung beschäftigt.
In den zehn Jahren seines Bestandes hat der Wiener Kutistgewerbe-
Verein durch seine ständigen Vereins- und die alljährlichen Weihnachts-
Ausstellungen Verkäufe im Gesammtbetrage von t47.4oo H. vermittelt.
Die Leitung des Vereines besteht gegenwärtig aus folgenden Herren:
Kaiserl. Rath Hanusch, Präsident; kaiserl. Rath Gstettner, Vice-Präsident;
Wilhelm, Cassier; Dr. Leisehing, Schriftführer; Angerer, Bakalowits, Prof.
Beyer, Reg-Rath Bucher, Erndt, l-Iofrath v. Falke, Franke, kaiserl. Rath
lrmler, lwinger, Paulick, Reich, Scheid, Hofrath Storck, Ausschussmitglieder.
Vorlesungen. Am 16. und 23. November hielt Hofrath von Falke Vorlesungen
aber nvilla und Cottageu.
Das gegenwärtig sehr actuelle Thema wurde vom Vortragenden in zwei Vor-
lesungen behandelt, von denen die erste den Gegenstand geschichtlich betrachtete, die
zweite ihn aus praktischen und modernen Gesichtspunkten erläuterte. - Die erste
Vorlesung begann mit der Darlegung der Gründe, welche die Menschen überall und zu
allen Zeiten bewogen haben, zeitweilig die großen Städte zu verlassen und zum ruhigen
Genuss der Natur und des Landes zu vielfach nbthiger ErholungiLandhauser zu errrichten
und zu bewohnen. Die historische Schilderung gab zuerst ein Bild der Villen an den
Ufern des Nil und der mesopotamischen Flüsse, wendete sich dann der Erklarung des
riechischen und des griechisch-römischen Hauses zu und besprach in ausführlicher Weise
die Villa, das ausgedehnte Landhaus der römischen Großen, das sich über alle Provinzen
des Romerreiches verbreitete. Es erfolgte der Niedergang und die Zerstorung in der Zeit
der Vdlkerwanderung, so dass die Völker in den neugegründeten Staaten des Mittelalters
auf neuer Grundlage den Bau des Landhauses beginnen mussten. Die kriegerischen Zeiten
des Mittelalters waren dem aber sehr wenig günstig, so dass z. B. die Nürnberger Pa-
trizier ihre Landhauser burgeriahnlich mit Mauern und Graben umgeben mussten. Die
Renaissance dagegen schuf in Italien die Villen gleich als bauliche Kunstwerke inmitten
ihrer eigenartigen Garten. lhnen folgte der Norden, wo in Frankreich unter Ludwig XIV.
die Gartenpalaste entstanden, inmitten der Garten des sog. französischen Stils. Diesem
Beispiele folgten überall die Großen Europe's. auch als der Gartenstil sich aus dem fran-
zösischen in den englischen verwandelte. Wirklich popullr als allgemeines Bedürfniss
nicht blos der Reichen, sondern auch des Bfirgerthuma wurde das Landhaus aber erst,
als Rousseau gewissermaßen den Natursinn erschlossen und allgemeine Liebe zum Lande
erweckt hatte. Darnach wurde dann das Landhaus und das zeitweilige Landlehen zur
drängenden und herrschenden Sitte, welche heute selbst die Stadte verandert und die
neuen Anlagen bedingt.