und in Holz geschnitten. Eigenthümlich ist sein Verhalten in Dresden; trotz Winekelmann
geht er an den Antiken im großen Garten scheinbar achtlos vorüber, desgleichen in der
Gallerie an den italienern, von welchen er nur den Naturalisten Feti würdigt und haupt-
sachlich sind es nur die Niederländer, die ihn entzücken: nichts interesairt ihn, das
keine aVergleichung mit der bekannten Nstur- bietet. Erst in Straßburg treten ihm durch
Herder's Einßuss die Quatrocentisten naher; Ratfael lernt er aus einer der Tapeten kennen.
Gleichzeitig erschließt sich ihm die gothische Baukunst, dem Münster widmet er liebe-
volles Studium, er schreibt als Patriot den Aufsatz -Von deutscher Baukunst D. M. Er-
wini a Steinbachn, er feiert die gothische als die nationaldeutsche Kunst. Winckelmann,
Raffael treten ihm in den Hintergrund, dafür gewinnt er ein warmes Verhaltniss zu Dürer,
das nie wieder erkaltet; es ist die Zeit des Gotz, des Faust. Die Vorliebe für die Gothik
überwindet er jedoch bald, auf dem Heimwege von Straaaburg nach Frankfurt erschließt
sich ihm in Mannheim die antike Plastik, ein antikes Kapital erschüttert seinen Glauben
an die nordische Baukunst. In Frankfurt und Darmstadt nimmt er das Zeichnen wieder
auf, er radiert und sticht, allen Ernstes will er Maler werden. Doch seine Advocatur, die
epochemachenden Erfolge des Gotz und Werther, sodann seine Berufung nach Weimar
bringen ihn auf andere Gedanken. Hier wirkt er praktisch-padagogisch für die Kunst,
er errichtet eine Zcichcnschule in Weimar, welche vom Jahre 1779 alljährlich Ausstel-
lungen, die ersten in Deutschland, veranstaltet; Goethe selbst zeichnet und radirt und
pflegt Aktstudien, er sammelt Kupferstiche, Handzeichnungen, er copirt Ralfael und Dürer,
er studirt Winckelmann und Mengs. Tief fühlt er aber die durch den Mangel der An-
schauung bedingte Unklarheit seines Verhältnisses zur Kunst. Erst die italienische Reise
befreit ihn hievon.
Der Vortragende schilderte nun eingehend die Eindrücke, welche Goethe in ltalien
gewann, seine Studien, seinen Verkehr mit Künstlern, die Werke der Antike und Renais-
sance, welche auf ihn als Mensch und Dichter den großten Eindruck machten. Das Mittel-
alter verwirft er in dieser Epoche gänzlich. Er fangt mit RaBael und M. Angelo an, die
Carracci, Domenichino, Guido Reni stehen ihm näher als die Pra-Raffaeliten; wie in
seinem litterarischcn Stile (lphigenie, Tasso, Egmont, Faust), wie in seinen naturwissen-
schaftlichen Arbeiten (Urpfianze), sucht er auch in der Kunst nun weder das Einzelne
(Naturalistische), noch das Allgemeine (idealistische), sondern das stilvoll Realistische
(Typische), das er in ienen Meistern zu finden meint. Nach Weimar zurückgekehrt,
betreibt er nun auch seine ltunstwissenschaftlichen Studien von höherem historischen
Standpunkte; die Geschichte der antiken Kunst war eingeleitet, die Geschichte der modernen
Kunst hat Goethe begründet. im lTeutschen Merkur: beginnt er, mit dem Maler Meyer
bespricht er alles, was ihn bewegt, mit Schiller, W. v. Humbddt und Meyer leitet er
die rPropylacnu, der Bund der Weimarischen Kunstfreunde mit seinem Organ nKunst und
Alterthnm- wird eine geistige Macht, mit der sich die Besten der Zcit auseinandersetzen.
Goethe geht nun mehr als früher auf die geschichtliche Entwicklung ein, er tritt dem
italienschen Mittelalter naher, die ältere deutsche Kunst studirt er, mit Begeisterung begrüßt
er die Bnissereekche Sammlung und die Elgin Marbles, als Erster verkündet er den Ruhm
Jan van Eyclfs, er lautert sein Verhaltniss zur Gothik, er übersetzt die Biographie des
B. Cellini, er bereichert die deutsche Litteratur mit seinem Buche über Winckelmann, er
vermehrt seine Sammlungen und sucht durch Preisaufgaben und Kunstausstellungen die
Kunst der Gegenwart zu fordern. Unsere ganze moderne Kunstgeschichte geht auf Goethe
zurück. Der Dichter und Stilist ist nur zu verstehen, wenn man erwägt, was er der bil-
denden Kunst verdankt; aber auch diese steht in ihrer modernen Entwicklung tief in
der Schuld des Poeten, Kritikers, Historikers, worüber ein andermal zu sprechen sein
wird. - Dem Vortrage wohnte Herr Erzherzog Carl Ludwig bei.
i
- Am r. Februar sprach Architekt Julius Leisching über aRenaissance in
Oesterreichw An Vasari erinnernd, der wohl zuerst dieses Wort gebraucht und
damit die Kunstbewegung seit dem n. Jahrhundert gemeint hat, ging der Redner den
Erscheinungen der romanischen Periode nach, um von ihnen beginnend, den Faden
der Entwicklung bis in's 16. Jahrhundert zu verfolgen. Denn wenn schon zugegeben
werden muss, dass es keine osterreichische Renaissance im Sinne einer franzosischen,
deutschen oder italienischen gibt, so verdienen doch die vielen, auf heimischem Boden
befindlichen Werke den Titel einer Renaissance in Oesterreich und somit eine eingehende
Würdigung. Während freilich jenseits der Alpen der Faden seit jener frühen Zeit ununter-
brochen fortlsuft und hiedurch der Vorrang ltaliens mitbegründet ist, gibt in der zweiten
Hllfte des Mittelalters Frankreich den Anstoß zur Unterbrechung der antiken Ueber-
lieferungen. Die innige Verbindung der Babenberger mit diesem Lande erklürt schon zur
Genüge das frühzeitige Hereindringen gothischer Elemente, einer Resction des Nordens
gegen den Süden. Zwar versammelt Kaiser Karl IV. in seiner Residenz zu Prag auch
Jahrg. 1894. 6