78
italienische Künstler, Maler, und Dichter um sich, so Petrarca, den Ersten, der den
Geist des Alterthuuu wieder verstand, aber durch seine ganze Erziehung und Bildung
mit Frankreich verknüpft, rief Karl aus diesem Lande seinen Dombnumeister und gründete
nach Pariser Muster die Universität zu Prag. Schon um diese Zeit ist ltalien in seiner
ganzen Cultur dem Norden um ein Jahrhundert voraus. Während dort dus ganze Volk
an der geistigen Bewegung lebhaft theilnimmt, zeigt sich in Oestereich bereits jene große
Lücke zwischen tiefster Gelehrsamkeit auf den Hochschulen und Llnbildung in den
weiten Schichten der von Kämpfen aller Art in Anspruch genommenen Bevölkerung. Die
Universität zu Wien glänzt durch Forscher wie Peuerbsch und Regiomontanus und Dichter
wie Celtis und Andere, ihre Sprache aber, die lateinische, ihre Gesinnung, die huma-
nistische, bleibt dem Ungclchrten unverständlich. Da nun die Kunst doch immer aus der
Kraft des Volkes ersprießt, lasst sich begreifen, warum die Renaissance in Oesterreich
etwas lmportirtes ist. Trotzdem finden sich verhältnismäßig früh die ersten Spuren
der Renaissance ein. Meist an ornamentalen Werken, kleineren Architekturen, wie Grab-
denlzmälcrn, und Leistungen des Kunstgewerbes. Hierin versuchen sich die heimischen
deutschen Meister mit wachsendem Glück, begünstigt durch die hohe Kunstfreude des
Landesfürsten. Gewaltigsten Aufschwung nimmt dann der neue Stil durch das Hinzu-
treten wälscher Künstler, die in immer größeren Scharen die Alpen überschreiten und
bald allerorten thätig sind. So erstehen in Tirol, Steiermark. Böhmen, Kärnten, auch
in Wier, wohin sich aus Padua und anderen Orten ganze Familien Buchten, um sich
daselbst ein neues Heim zu bauen, die schönsten Werke einer voll blühenden Renais-
sance, die neben allen anderen Stilleistungen einen ebenburtigen Rang einnehmen.
Litteratur - Bericht.
Papyrus Erzherzog Rainer. Führer durch die Ausstellung. Mit 20 Taf.
u. 90 Textbild. Wien, Verlag der Sammlung, 1894. 8". 294 S. H. 6.
Schwerlich wird sich irgend eine Sammlung dei-Weli, sei sie eine kunstgeschicht-
licht: oder wissenschaftliche, eines IFÜlITETSu rühmen ltoiiiien, wie die berühmte Papyrus-
sammlung Sr. kais. Hoheit des Erzherzogs Rainer, welche vor wenigen Tagen erst dem
lt uche des Publicums' zugänglich gemacht worden. Von den vielen Tausenden von
Schriftstücken, welche den Inhalt der Sammlung bilden, sind iaoo in einigen, den
Liegenstantlen entsprechend geschmückten Raiumen des Oesterr. Museums ausgestellt, und
zwar so, dass sie nicht blns der Besichtigung, sondern auch dem Studium dienen können.
Die decorirten Räume mit dem Arrangement der Einrichtung und Aufstellung bilden
selber ein kleines Kunstwerk von besonderer Art, das nicht wenig Nachdenken und Ge-
schicklichkeit von Seiten des Leiters der Sammlung, Professor Kiirabacek, erfordert hat.
Dasselbe ist der Fall mit dem gleichzeitig erschienenen Werke, das sich bescheiden einen
lFDlHtrH nennt, in Wirklichkeit aber ein vullstandig ausgefulirter wissenschaftlich be-
schreibender Katalog ist, der sich seiner typographischen Ausstattung nach ebenfalls als
ein Kunstwerk darstellt. Es ist nicht unsere Sache, den eminent wissenschaftlichen Werth
dieses in seiner Art bis jetzt einzig dastehenden Werkes zu würdigen, wir haben es an
dieser Stelle nur mit der künstlerischen und typographischen Herstellung zu thun, die in
der Ausführung ebenso vollendet wie rnustergiltig ist. Und das kann man heute nicht
allzuhäulig selbst von den kostbarsten Praclitwerken sagen. Es ist eine Sache des Ge-
schmacks, des künstlerischen Urtheils, eine Seite, welche Initialen und Illustrationen ent-
halten und l'lllI sehr verschiedenen Typen verbinden soll, so zu arrangiren, dass sie einen
harmonischen Anblick darbietet. Solcher sichere Geschmack ist aber in den Druckereien selten
zu finden, so selten, dass man im Begriffe sieht, in Wien dafür eine Schule zu errriehten.
Bald sind die Illustrationen falsch gestellt, bald haben Bilder oder Initialen zu viel oder
zu wenig Schwärze im Verhaltniss zum Text, bald passen die Lettern in Grüße und
Art, in Fettheit oder Magerkeit nicht zusammen, und was dergleichen mehr ist. Das
alles ist Sache eines feineren Gefühls, wobei der Autor selber der Druckerei zu Hilfe
kommen muss. lii dieser Beziehung nennen wir das in Rede stehende Werk muster-
giltig, und wenn die k. k. Staatsdruckerei, aus welcher das Werk hervorgegangen ist,
sich dessen rühmen darf, so hat auch Professor Karabacek ein gut Theil des Verdienstes
fur sich in Anspruch zu nehmen.
Das ist aber nicht die einzige Seite, weshalb wir in den nMittheilungen des Oesterr.
Museums: zu sprechen haben. Uns intereisiren ebenso die Illustrationen um ihrer selbst
willen, theils weil sie so vortreßlich ausgeführt sind, dass man glaubt, die Schriftstücke
lagen vor uns, ja viel deutlicher noch als die Originale selber, du bekanntlich die Photo-