ganzer Figur mit Namensunterschrift. Die
Innenwände sind glatt, während die Innen-
fläche des Bodens im Relief in architek-
tonischer Umrahmung den Englischen Gruß
enthält und die Außenseite des Gefäßbodens
das Wappen von Novara trägt. Die sechs
Felder des Deckels, an ihrer Innenseite mit
der französischen Lilie geziert, tragen auf
der Außenseite sechs verschiedeneWappen,
und zwar: den deutschen Reichsadler, das
französische Wappen, die Wappen von
Burgund, Köln und Mainz sowie ein Stadt-
wappen ohne besonderes Beizeichen. Der
untere Rand ist nicht mehr vollständig.
Während drei Ecken abgeschlossen erscheinen und Ansätze zu einer Fortsetzung nicht
enthalten, lassen die drei dazwischen befindlichen Ecken an ihren Bruchstücken bestimmt
erkennen, daß das Gefäß ursprünglich auf drei Füßen geruht hat; auch der Deckel ist nicht
mehr vollständig, ein kleiner Knauf dürfte wohl seinen Abschluß gebildet haben. Bezüglich
der Herkunft des eigenartigen Kunstwerkes ist man allerdings versucht, zunächst an Paris
als Erzeugungsort zu denken; doch werden wir später sehen, daß derlei Arbeiten hierzu-
lande wohl nicht vereinzelt als Hostienbehälter bei Versehgängen in Gebrauch waren und
der Wahrscheinlichkeit Raum geboten erscheint, daß derartige Gefäße auch auf deutschem
Boden entstanden sein dürften. Unser Hostienbehälter dürfte der Mitte des XIV. Jahr-
hunderts angehören.
Überliefert wurde uns dieses kleine Kunstwerk als Reliquienbehälter eines steirischen
Altars. Um es für diesen Zweck geeigneter zu machen, dürften die drei Füßchen sowie
der Knauf beseitigt worden sein.
Nach altem katholischen Ritus werden in jedem Altar, der vom Bischof konsekriert
wird, Reliquien von wenigstens zwei Märtyrern eingemauert, mit einem Pergamentstreifen,
auf dem der Name des Konsekrators, der Tag der Einweihung, der Name der Kirche, des
Altars und der Reliquien aufgezeichnet sind, versehen und sodann in ein Gefäß gelegt.
Dieses endlich wird mit einer Wachshülle umgeben, in die das Siegel des Bischofs ein-
geprägt wird. Unser I-Iostienbehälter nun wurde bei der Einweihung des Altars in der
Kirche zu Teuf-fenbach in Steiermark im Jahre 1439, wie an dem Siegelabdruck erkannt
werden kann, durch den Bischof Lorenz von Lichtenberg als Reliquienbehälter verwendet
von Wachs umschlossen und unter der Altarplatte eingemauert.
Bei der vor mehreren Jahrzehnten erfolgten Abtragung des Altars wurde die Wachs-
hülle vorschriftsmäßig dem bischöflichen Konsistorium in Graz abgeliefert, das die heiligen
Reliquien neuerdings verwahrte und das Gefäß nebst dem Bruchstück der Wachshülle,
das den Siegelabdruck des Bischofs Lichtenberg enthält, vor kurzem unserem Museum
durch den Domherm Freiherrn Franz v. Oer, dem ich auch einige der angeführten Daten
verdanke, übergab.
Die Schönheit dieses Zinngefäßes läßt wohl zunächst der Vermutung Raum, daß es
von dem Stifter und Patron der Kaplanei Teuffenbach, dem kaiserlichen Rat Tristan von
Teuffenbach, der im Jahre 1436 mitl-Ierzog Friedrich (dem nachmaligenKaiserFriedrich III.)
von Innerösterreich nach Jerusalem gezogen war, gespendet und von ihm etwa von dort
oder aus Venedig - den Boden Frankreichs hat Teuffenbach wohl niemals betreten i
mitgebracht worden war. Dagegen spricht aber anderseits die Verstiimmelung unseres
kleinen Kunstwerkes durch die Entfernung der drei Füße und des Knaufes, die bei der
Widmung des Gefäßes von Seite des Kirchenpatrons gewiß unterblieben wäre.
Wir sind daher eher geneigt anzunehmen, daß es sich bei unserem Hostienbehälter
um eine rein zufällige Verwendung bei der erwähnten kirchlichen Handlung gehandelt hat.
Hostienbehälter im Kulturhistorischen und Kunst-
gewerbemuseum zu Graz