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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 3)

jene Mischung hellenischen und orientalischen Wesens vor sich, ohne die 
unsere heutige Cnltur nicht denkbar wäre. 
Nun beginnt mit der Aufnahme jener orientalisch großartigen Saal- 
anlagen mit Kuppeln und Gewölben, der gewaltige Entwicklungsprocess 
der modernen Architektur, der im gothischen Dome und in der Kuppel 
der Peterskirche seinen Abschluss findet; ein historischer Vorgang, dem 
gegenüber die Geschichte des idealen griechischen Tempels nur wie eine 
locale Episode, dieser selbst wie das Gerüst erscheint, an dem die welt- 
beherrschende Decoration der Antike sich entwickelt hat. Und wie das 
Leben jetzt in neuen großartigen Bahnen dahinströmte, wie es sich nicht 
mehr um die kleine demagogische Misere kleiner Republiken handelte, 
sondern um Wohl und Wehe ausgedehnter Reiche, geleitet von einem 
Einzelnen, der energisch den Löwenantheil an den großen Ereignissen 
forderte, so trat nunmehr auch die im Orient alteinheimische historische 
Kunst wieder kräftig und bedeutend hervor. In dem Völkergetriebe wurde der 
Blick für die Eigenthümlichkeit fremder Rassen und damit für historische 
Charakteristik geschärft: es braucht nur an die pergamenische Schule 
und ihre Barbarendarstellungen erinnert zu werden. 
Eine Zeit aber, die den Typus von ganzen Völkern so wohl zu 
individualisiren wusste, war auch für das Portrait, nicht mehr für das 
ideale der früheren Periode, sondern für das realistische, historische Bildniss 
reif, das von ihr gefordert ward. Nicht mehr der heroische Gründer oder 
die Schutzgottheit der Stadt, die individuelle Person des Monarchen "ver- 
körpert jetzt das Gemeinwesen und so erscheint unter den Nachfolgern 
Alexanders zum ersten Male in der Geschichte das Portrait des Herr- 
schers auf den Münzen; noch das Geld Alexanders selbst trägt- auf der 
Kopfseite eine ideale heroische Bildung, das Haupt des jungen Herakles, 
als Sinnbild des anderen Zeussohnes, des Königs selbst. Wer ermessen 
will, welch' ungeheuren Schritt die Kunst hier vorwärts gethan hat, der be- 
trachte die Bildnissmünzen dieser Diadochen hellenischen, halbgriechischen 
und halbbarbarisehen Gehlütes, der Seleukiden in Syrien und der Ptolemäer 
in Aegypten, der Herrscher von Kappadokien, Pontus, Bithynien, ja von 
Baktrien, theilweise Porträtleistungen ersten Ranges realistisch und doch 
stilisirt, als typisches Porträt von dem individnalisirenden der Römer so 
weit getrennt, wie die stets auf das Ganze und GroBe gerichtete An- 
schaunngsweise des Künstlervolkes par excellence von der lebens- und 
staatsklugen desjenigen Volkes, welches die lnstitutionen des römischen 
Rechts zu seinen großen Leistungen zählt. Und dass die Kunst gerade 
unter solchen Verhältnissen, an solchen fremden und fernabliegenden 
Bildungen ihren Witz üben musste, gerade das hat ihre Fähigkeit des Aus- 
druckes und der Charakteristik ungemein gesteigert; nicht ohne Absicht 
wurde bei diesen Dingen so lang verweilt, liegen doch hier die Grund- 
bedingnngen der späteren Medaille. Auch darin, dass bei größerem Ver- 
kehre und ausgiebigerem Prunke gewichtigere Stücke (früher, wie die
	        
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