deutsche Medaille ist künstlerisch völlig unabhängig und hält noch zu
einer Zeit den nationalen Stil aufrecht, wo die Malerei schon längst in
das Fahrwasser der immer mächtiger werdenden römischen Kunstweise
gerathen ist.
Die ältesten deutschen Medaillen sind geprägt, verrathen also
dadurch, wie schon erwähnt, ihren Zusammenhang mit der Münze. Auch
sie halten den alten Ruhmestitel der deutschen Kunst, das Porträt, auf-
recht. Der ganze Gegensatz zwischen Anschauungs- und Empfindungs-
weise des Nordens und des Südens, welch' letzterer seine antike Grundlage
niemals verleugnet, kommt uns zum Bewusstsein, wenn wir die in ein-
fachen großen Zügen gehaltenen Bildnisse der Quattrocento-Medaille mit
der Arbeit des (zumeist anonymen)") deutschen Künstlers, vder ehr-
lichen Haut" nach Goethe's Ausdruck, vergleichen, der mit rührender
Sorgfalt und Treue sich in das Studium des kleinsten Details versenkt").
Durch die deutsche Medaille geht überhaupt ein bürgerlicher, häus-
licher Zug "). Die italienische Medaille der Blüthezeit ist ein selbständiges
Kunstwerk, das vor Allem als Kunstwerk Werth besitzt, südlichem Em-
pfinden angemessen. Schon zu Pisanello's Lebzeiten waren seine Medaillen
namentlich in den feineren Bleiabgüssen von den Liebhabern sehr geschätzt.
In Deutschland ist es viel mehr der reale Gegenstand mit seinem Inhalt,
welcher den Werth bestimmt; sind es in Italien zumeist Fürsten, be-
rühmte Männer oder sehr charakteristisch für das Land, durch Schönheit
und Geist ausgezeichnete Frauen"), deren Bildnisse die Medaillen tragen,
so haben diese nördlich von den Alpen in ihrer Masse einen rein privaten
Charakter. Der Hausvater lässt sein und seiner Frauen Conterfey zur
Erinnerung für Kind und Kindeskinder schneiden und so wird die Me-
daille ein lieber Hausrath, der wie eine Familienchronik das Leben der
") Auch das ist charakteristisch; gleich auf der ersten Medaille Pisanellcfs steht
in dessen köstlich energischer Capitalschrift: Opus Pisnni Pictoris (wiederholt in grie-
chisc her Sprache).
") Für die Geschichte der deutschen Medaille ist noch viel zu thun übrig. Außer
BolzenthaPs Skizzen ist besonders zu erwähnen die Arbeit Erman's: Deutsche Medail-
leurc des 16.-17. Jahrhunderts. Zeitschr. für Numismetik, Bd. Xlll, 1; Snllet, Deutsche
Gussmedaillen, ebenda, Bd. Xl, 22g; Ders., Die Medaillen A. D0rer's, ebenda Bd. II, 362.
Eine ausführliche Monographie über den Schweizer Medailleur J. K. Hedlinger, der in
Schweden arbeitete, das in der Meduilleurkunst des 13. Jahrhunderts Oberhaupt eine
bedeutende Stellung einnimmt, ist von Amberg verfasst worden (Einsiedeln 1887).
") Domenig, Die deutsche Privatmeduille der älteren Zeit; Numismatische Zeit-
schrift, 139}.
") Vergl. die Serie schöner Frauen des Pastorino aus Siena, das freilich noch
heute seinen alten Ruhm weiblicher Anmuth aufrecht erhält. Greene, Medails by Por-
nedello, Num. Chron. 1881; Walton, G. Cristoloro Romano, Revue numisrnat.
lll. Ser. lll; über Curadosso: Mßntz, Gnz. des beaux-arts 1383; Wsstler, Giov.
Pietro de Pomis, Repertor. für Kunltwissenschaft Bd. Vl und XIV; Kenner, Bildniss-
Medaillen der Spltrenaissance, Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerh. Kaiserhlusel,
Bd. Xll.