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Hausgenossen von Geburt, Taufe und Hochzeit bis zum Grabe begleitet.
Nichts kann bezeichnender von der südländisch antiken Weise der Ita-
liener abstechen, als dieser häusliche Charakter der deutschen Medaille,
ganz so wie der nordische Formschnitt, in zahllosen Exemplaren auf den
Jahrmärkten verkauft, denselben intimen Charakter trägt und im Volke
wurzelt, während der italienische Kupferstich, im Ganzen unbedeutend
auch in technischer Hinsicht, erst dann Ansehen bekommt, als er in m0-
derner Weise der Vervielfältigung von Kunstwerken dient. Die eigentliche
Volkskunst Italiens ist, wenigstens im 15. Jahrhundert, die Malerei, welche
an Plätzen und Märkten, in Kirchen und Staatsgebäuden die Wände mit
großen Fresken ziert.
Der vielberufene dreißigjährige Krieg gab der deutschen Kunst nur den
Gnadenstoß. Ihr Lebensfaden war schon längst durchschnitten, ihr Zusam-
menhang mit dem mütterlichen Boden und den nationalen Stoffen schon
so sehr gelockert, dass neue Triebe nicht mehr Wurzel fassen konnten.
Rom, die Stadt, welche vor allen anderen mit Recht den Beinamen des
Ewigen trägt, bewährt auf's Neue seine alte Anziehungskraft, trotz oder
vielleicht gerade wegen seiner eigenen Kunstarmuth in alter wie moderner
Zeit; seit dem Cinquecento sammelt sich die Blüthe der italienischen
Künstler am Hofe der Päpste und von da aus unterjocht die römische
Kunst zum zweiten Male im Laufe der Geschichte, diesmal in Gestalt des
Barockstils nicht blos die localen Schulen Italiens, sondern die ganze
gebildete Welt. Die glänzendsten und einflussreichsten Höfe Eurupa's,
der habsburgische und der bourbonische, ziehen italienische Medailleure in
ihre Länder: Leone Leoni"), die beiden Abondio, de Pomis u. A. arbeiten
für den Wiener Hof; Benvenuto Cellini, fast berühmter durch seine
Selbstbiographie als durch seine Werke, wirkt in Paris. Es ist die Zeit
vollendetster, detaillirtester Technik. In der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts tritt die niederländische Medaille, nachdem sie, wie die Ma-
lerei, das ganze Cinquecento hindurch, ihrem alten nationalen Stil ab-
trünnig, in den Bahnen der römischen Kunst gewandelt war, wiederum
kräftig und eigenthlirnlich hervor. Glücklicher als ihre deutsche Schwe-
ster, erlebte die niederländische Kunst eine zweite Bllithezeit; auch an
der Medaille ist das Zeitalter Rubens' und Rembrandfs nicht spurlos vor-
übergegangen.
Seit den Tagen Ludvvig's XIV. beginnt Frankreich zum zweiten Male
seine Vorherrschaft auszuüben. Abermals wird, wie einst im XIV. Jahr-
hundert, französisches Wesen auf allen Gebieten der Cultur und Mode
herrschend. Wieder ist es allein Italien, das, wenigstens auf dem Gebiete
der bildenden Kunst, auch von der letzten Blüthe dieses französischen
Geschmackes, dem Rococo, unberührt geblieben ist.
") Kenner, Leone Leone's Medaillen für den kaiserlichen Hof, Jahrbuch der Kunst-
sammlungen des Allerh. Kaiserhauses, Bd. XIII; Cnsati, L. Leuni, Milnno 1384; Plan,
Les maitres au service de la mailon d'Autriche: I... Leoni e Pompeo Leoni, Paris 1886.