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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 4)

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die allgemeine Desorientirung bezeichnen, als das Haschen und Tasten 
nach immer neuen Stilen in der Baukunst, im Kunstgewerbe, so dass 
wir nun, streng historisch, wie es unsere Art schon ist, mit der Antike 
beginnend, nun glücklich wieder bei Empire und Altwien, ja in der 
Frauenmode bei 1830 angelangt sind? Möchten, wir vor einer Renais- 
sance der Fünfziger Jahre verschont bleiben! Die falsche Auffassung des 
Winckelmandschen Wortes von der erhabenen Einfalt der Antike, welche 
den Grundzug dieser ganzen Richtung des Empire bildet, zeigt sich auch 
in der Medaille. Linealmäßige trockene Contour, ein flaches, jedem feinen 
Detail ängstlich ausweichendes Relief, monumentale Langeweile kenn- 
zeichnen die Durchschnittsleistungen dieser Zeit und ihres Stiles, welcher 
leider auf unseren Münzen, die man dereinst wohl als den Typus der 
Oede und Langeweile citiren wird, fortdauert. Wie die bildende Kunst 
überhaupt, so erreicht auch die Medaille den Stand ihrer tiefsten De- 
pression im letzten Drittel unseres Jahrhunderts, jener Periode der roman- 
tischen Reaction, in der trotz und vielleicht gerade wegen der herr- 
schenden nebulosen Phantastik das Verständniss für die Verschönerung 
des Daseins durch die Kunst im Volke überhaupt verschwunden schien. 
Aus jener Zeit der absoluten Nüchternheit, deren Nachwehen auch wir 
noch in den Gliedern fühlen, stammen jene Bauten, deren einziges ästhetisches 
Gesetz Lineal und Winkelmaß zu sein scheint, wie von jener gespenstigen 
Philisterhaftigkeit beseelt, die Callot-Holfmann so trefflich zu schildern 
weiB. Ihnen reihen sich würdig jene entsetzlichen Erzeugnisse der Medaillen- 
kunst an, welche schon durch die abscheuliche Unsitte, das Relief auf 
spiegelnd polirtem Grund aufzusetzen, den Stempel der Barbarei an sich 
tragen und nicht blos durch die unangenehme pfefferkuchenartige Fär- 
bung ihrer Bronze an die süßen Producte der Jahrmarktsbuden erinnern. 
Es ist nicht meine Sache, die Bewegung gegen diese schal gewor- 
dene Akademiekunst zu schildern, noch wie speciell Wien mit der Ge- 
schichte jener Bewegung verknüpft ist. Freilich dürfen wir uns keiner Täu- 
schung dsrüber hingeben, dass die Anschauung, die Kunst sei eben ein 
schöner Luxus, noch sehr tief wurzelt und dass namentlich unser Kunst- 
gewerbe doch keine rechte Heimstätte hat. Auch die Medaille ist hinter 
dem allgemeinen Aufschwung nicht zurückgeblieben; einen neuerlichen 
Beweis dafür erbringt das jetzt im Oesterr. Museum ausgestellte Werk 
L. O. Katy's. 
Die Regenerirung der französischen Medaille datirt nicht von 
gestern "). Schon in den Dreißiger Jahren hat Oudine die Trockenheit 
des Empire zu überwinden gesucht, David sich am Quattrocento ge- 
bildet "). In diesen Studien sind dann die Jüngeren nachgefolgt. Pons- 
"j Vergl. den Aufsatz von Alberts, La grlvure en medailles contemporaine im 
An 1889, i; aoür. 
") So in seiner Medaille auf die berühmte Mailänder Sängerin Giuditta Pasta (ab- 
gebildet in der Rivistn ituliana di numismaticn 1889, 524).
	        
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