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Also die Werke der Architektur und im Allgemeinen auch die-
jenigen des Kunstgewerhes erfordern schon um ihrer unmittelbaren Be-
ziehungen zum Rohstoff willen, aus dem sie gebildet sind, eine Behandlung
in mineralisch-geometrischen Formen, deren oberstes Gesetz wiederum
die Symmetrie ist. Naturgemäß wird auch die Decoration, die zu diesen
Grundformen von Außen hinzukommt, zunächst eine Anlehnung au die
gleichen Grundgesetze suchen: sie wird also vor Allem auf eine symme-
trische Composition ausgehen. Fragen wir nun, welches von den drei
Naturreichen dem Decorator die geeignetsten Vorbilder zur symmetrischen
Composition an die Hand gibt, so werden wir abermals zu einem ganz
ähnlichen Resultate gelangen, wie vorhin. Die rnineralisch-geometrischen
Zierformen sind allerdings die symmetrischesten, ja sie sind ihrem eigensten
Wesen nach nichts anderes als abstracte Symmetrie; man denke nur an
das Quadrat, an den Kreis u. s. w. Aber gerade darum, weil die Sym-
metrie an ihnen gar so nackt zu Tage liegt, weil dabei dem künstlerisch
betrachtenden Auge gar keine Räthsel auferlegt werden, will der mensch-
liche Kunstgeist sich damit nicht begnügen, findet er sie - wenn allein
und endlos angewandt - langweilig. Das entgegengesetzte Extrem bietet
wiederum das Thierreich. Die Angehörigen des Thierreiches, namentlich
die hier hauptsächlich in Betracht kommenden höher organisirten anima-
lischen Wesen - also Vogel, Säugethier und vor Allem der Mensch -
sie sind alle nicht minder wie die Krystalle, im letzten Grunde symme-
trisch angelegt; aber ihr complicirter Bau lässt häufig die symmetrische
Grundanlage äußerlich nicht mit genügender Bestimmtheit hervortreten.
Einen Krystall kann man von beliebiger Seite betrachten, und seine sym-
metrische Bildung wird dem Auge doch niemals verborgen bleiben. Die
animalischen Wesen bedürfen hingegen einer ganz bestimmten Proiection,
um ihre symmetrische Anlage dem Auge deutlich wahrnehmbar zu
machen. Man denke nur an ein beliebiges Säugethier, z. B. an einen
Hund. Eine symmetrische Contiguration bietet ein Hund nur dann, wenn
derselbe mit der Brust und Schnauze dem Beschauer zugekehrt dahockt
oder waufwartetu. Das ist eine rein zufällige Stellung, in der wir den
Hund nur selten und ausnahmsweise zu sehen gewöhnt sind, und in der
uns auch ganz wesentliche Körpertheile des Hundes unsichtbar bleiben;
die en-face-Stellung ist also beim Hunde keineswegs die charakteristische.
Das typische Bild, das wir uns von einem Hunde zu machen pflegen -
und dies gilt im Allgemeinen ebenso von allen übrigen Säugethieren -
bezieht sich auf die Seitenansicht desselben. Der von der Seite gesehene,
auf seinen vier Beinen dahinschreitende Hund bietet dem Auge alle seine
für das Aeußere bestimmend wirkenden Körpertheile dar, und diese cha-
rakteristische Ansicht vou der Seite wird daher auch das maßgebende
Vorbild für die Nachbildung in der Kunst sein müssen. Aber diese
Seitenansicht ist nun nichts weniger als symmetrisch aufgebaut. Zu einer
symmetrischen Composition ist also das Säugethier, wenn in der charak-