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teristischen Prol-ilansicht gebildet, als Einzelwesen nicht zu gebrauchen.
Man hat sich da bekanntlich in der Weise zu helfen gewusst, dass man
das Thier verdoppelte, d. h. demselben ein völlig gleichgebildetes Gegen-
über gab, wodurch wenigstens in der Gruppirung eine symmetrische
Conüguration erzielt wurde. Daraus entstand das bekannte wWappen-
scbemau, das uns in seinen typischesten Aeußerungen an den erhaltenen
Werken der assyrischen Sculptur entgegentritt. Aber da ist es gerade
an diesen assyrischen Sculpturen bezeichnend, dass das Auge zwischen
den beiden gegenüber gestellten (aürontirten) Thieren oder Menschen ein
verbindendes Mittel verlangte: ein ornamentales Einzelwesen, das natürlich
schon an und für sich symmetrisch gebildet sein musste. Und als dieses
Mittel wählte man in der Regel ein pflanzliches Motiv!
Damit ist bereits die überwiegende Eignung der Plianze zur sym-
metrischen Composition empirisch dargethan. Auch der Pflanze ist inner-
halb der symmetrischen Grundanlage ein Spielraum zur individuellen
Entwicklung gewährt; ie höher organisirt ein pflanzliches Wesen, z. B.
ein Baum, desto weniger deutlich tritt die symmetrische Grundanlage in
der Gesammterscheinung zu Tage. Aber so weit wie an den höher orga-
nisirten Thieren reicht der Individualismus an den PHanzen doch nirgends,
und man darf somit auch unter diesem Hinblick wiederum sagen, dass
die Pflanze in Bezug auf ihre Eignung zur Nachbildung in symmetrisch-
ornamentalen Formen die richtige und erwünschte Mitte innehält zwischen
dem abstracten mineralischgeometrischen und dem durch seine Lebens-
ftille allzu individualisirten animalischen Bereiche.
Ein Drittes endlich, das dem pflanzlichen Elemente in der Orna-
mentik allezeit einen Vorrang vor den beiden anderen in der Natur vor-
handenen sichern dürfte, ergibt sich aus den zwei bereits festgestellten
Gründen zusammengenommen. EntschlieBt sich der Mensch, ein orga-
nisches Vorbild, sei es Pflanze oder Thier, auf einem gegebenen Unter-
grunde von mineralisch-geometrischer Kunstform decorativ nachzubilden,
so muss er gemäß dem eben Gesagten darauf bedacht sein, alles das-
jenigc, was an jenem Vorbilde symmetrisch erscheint, nachdrücklich hervor-
zuheben, dagegen alles dasjenige, was einen lebensvollen lndividualismus
verräth, bis zu einem gewissen Grade zu unterdrücken, freilich ohne dass
dadurch das Wesen und die Bedeutung des Vorbildes bis zur Unkennt-
lichkeit entstellt würden. Man nennt in der Kunstsprache diese An-
näherung der organischen Wesen an mineralisch-geometrische Configu-
rationen das Stilisiren. Nun haben wir aber schon vorerst festgestellt,
dass für jede Function in unbeweglicher Stellung, wie sie an einem
Kunstwerk in leblosem Material unausweichlich ist, sich die scheinbar
unveränderliche Pflanze besser eignet, als das unablässig bewegliche Thier.
Erscheint es somit einmal nothwendig, ein organisches Naturwesen in der
künstlerischen Nachbildung zu symrnetrisiren, zu stilisiren, so wird das
Auge die Unterdrückung der von individueller Lebenskraft zeugenden