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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 5)

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teristischen Prol-ilansicht gebildet, als Einzelwesen nicht zu gebrauchen. 
Man hat sich da bekanntlich in der Weise zu helfen gewusst, dass man 
das Thier verdoppelte, d. h. demselben ein völlig gleichgebildetes Gegen- 
über gab, wodurch wenigstens in der Gruppirung eine symmetrische 
Conüguration erzielt wurde. Daraus entstand das bekannte wWappen- 
scbemau, das uns in seinen typischesten Aeußerungen an den erhaltenen 
Werken der assyrischen Sculptur entgegentritt. Aber da ist es gerade 
an diesen assyrischen Sculpturen bezeichnend, dass das Auge zwischen 
den beiden gegenüber gestellten (aürontirten) Thieren oder Menschen ein 
verbindendes Mittel verlangte: ein ornamentales Einzelwesen, das natürlich 
schon an und für sich symmetrisch gebildet sein musste. Und als dieses 
Mittel wählte man in der Regel ein pflanzliches Motiv! 
Damit ist bereits die überwiegende Eignung der Plianze zur sym- 
metrischen Composition empirisch dargethan. Auch der Pflanze ist inner- 
halb der symmetrischen Grundanlage ein Spielraum zur individuellen 
Entwicklung gewährt; ie höher organisirt ein pflanzliches Wesen, z. B. 
ein Baum, desto weniger deutlich tritt die symmetrische Grundanlage in 
der Gesammterscheinung zu Tage. Aber so weit wie an den höher orga- 
nisirten Thieren reicht der Individualismus an den PHanzen doch nirgends, 
und man darf somit auch unter diesem Hinblick wiederum sagen, dass 
die Pflanze in Bezug auf ihre Eignung zur Nachbildung in symmetrisch- 
ornamentalen Formen die richtige und erwünschte Mitte innehält zwischen 
dem abstracten mineralischgeometrischen und dem durch seine Lebens- 
ftille allzu individualisirten animalischen Bereiche. 
Ein Drittes endlich, das dem pflanzlichen Elemente in der Orna- 
mentik allezeit einen Vorrang vor den beiden anderen in der Natur vor- 
handenen sichern dürfte, ergibt sich aus den zwei bereits festgestellten 
Gründen zusammengenommen. EntschlieBt sich der Mensch, ein orga- 
nisches Vorbild, sei es Pflanze oder Thier, auf einem gegebenen Unter- 
grunde von mineralisch-geometrischer Kunstform decorativ nachzubilden, 
so muss er gemäß dem eben Gesagten darauf bedacht sein, alles das- 
jenigc, was an jenem Vorbilde symmetrisch erscheint, nachdrücklich hervor- 
zuheben, dagegen alles dasjenige, was einen lebensvollen lndividualismus 
verräth, bis zu einem gewissen Grade zu unterdrücken, freilich ohne dass 
dadurch das Wesen und die Bedeutung des Vorbildes bis zur Unkennt- 
lichkeit entstellt würden. Man nennt in der Kunstsprache diese An- 
näherung der organischen Wesen an mineralisch-geometrische Configu- 
rationen das Stilisiren. Nun haben wir aber schon vorerst festgestellt, 
dass für jede Function in unbeweglicher Stellung, wie sie an einem 
Kunstwerk in leblosem Material unausweichlich ist, sich die scheinbar 
unveränderliche Pflanze besser eignet, als das unablässig bewegliche Thier. 
Erscheint es somit einmal nothwendig, ein organisches Naturwesen in der 
künstlerischen Nachbildung zu symrnetrisiren, zu stilisiren, so wird das 
Auge die Unterdrückung der von individueller Lebenskraft zeugenden
	        
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