Volkskunst, Hausfleiß und Hausindustrie. Von Alois Riegl. Berlin, Georg
Siemens, 1894. 8". 82 S. M. z.
Der lnbalt dieser Schrift bringt eine ernste Mahnung. Es handelt sich dabei um
die anzustrebende ehethunlichste Durchforscbung und wissenschaftlich-inethodische Bear-
beitung alles dessen, was wir als Zeitgenossen volkskunstmäüigen SchaEens bezüglich
desselben noch zu beobachten in der Lage sind. Eine solche Arbeit denkt sich der Ver-
fasser durch planmaßiges Zusammenwirken berufener Forscher durchführbar. Er weist
in überzeugender Art nach, dass Gefahr im Verzuge sei; dass der letzte Rest dessen,
was wir als echte Volkskunst bezeichnen können, in nicht zu ferner Zeit unwider-
bringlich verloren sein müsse. Zum Schaden eines wichtigen Zweiges der culturhisto-
rischen Wissenschaft; zum Schaden noch besonders für die Erforschung der Kunst-
entwicklung Oesterreichs, des Landes. auf dessen Boden in erster Linie noch die
Aeußerungen der Volkskunst lebendig erhalten geblieben sind.
Der Definirung des Begriffes der Volkskunst sowie der Klarlegung ihres Verhalt-
nisses zur Hausindustrie und anderer Phasen ihrer Weiterentwicklung und Umbildung
ist übrigens der größte Theil der Brochüre gewidmet. Die Thatsache, dass der Verfasser
hier eine so umfangreiche Klarlegung mit Recht für nbthig finden musste, zeigt zur
Genüge, dass eine richtige Beurtheilung der Bedeutung der Volkskunst bis jetzt noch
nirgends stattgefunden hat. Die vorgebrachten Erörterungen zeigen die verschiedenen Arten
der Kunstthatigkeit des Volkes im Zusammenhange mit der Entwicklung wirthschaft-
licher Verhältnisse. Grundlegend waren hier die Arbeiten Prof. Karl Büehefs, als ein
nfestgeiügtes und klar umgrenztes System von Betriebsformen der menschlichen Guter-
production in aufsteigender Kette, von welcher der sogenannte Hauslleiß das unterste, das
Fabrikswesen das oberste Glied blldtla. M-t.
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Das Wesen der architektonischen Schöpfung. Antrittsvorlesung, gehalten
in der Aula der kgl. Universität Leipzig am 8. November 1893 von
August Schmarsow. Leipzig, K. W. Hiersemann, 1894. 8". 30 S.
M. t.
Da die alte Schulauffassung vom Wesen der Architektur in neuerer Zeit mehr-
fache Anfechtung erfahren hat, hielt es Schrnarsow für angemessen, seinen Standpunkt
in dieser Frage zum Thema der Antrittsvorlesung zu wählen. Wenn E. v. Hartrnann
die Frage aufwirft, ob die Architektur zu den freien Künsten gehöre und dahin gelangt,
sie dem Kunsthandwerk gleichzustellen, wenn denkende Architekten der Gegenwart die
Architektur eine nßekleidungskunsta nennen, wobei auch -der Beste nicht weiß, woher
ihm die schöpferische Begeisterung eigentlich kommen solll, _ so kann sich der Kunst-
historiker der Aufgabe nicht entziehen, in einer so grundlegenden Frage Stellung zu
nehmen. - Schmarsow wählt die genetische Betrachtungsweise, um Klarheit über das
Wesen der architektonischen Schöpfung zu erlangen. Auf diesem Wege enthüllt sich
die Architektur als Versuch, eine räumliche Vorstellung in Wirklichkeit zu versetzen.
Wesentlich ist dabei vor Allem die Umschließung eines Subjects, die Einfriedung oder
Umwandung. Durch diese Eigenschaft unterschsidet sich die Architektur vom Kunst-
handwerk. Die dreidimensionale Raumanschauung ist ihre Begründerin, der Trieb zum
selbständigen Organismus sich auszubilden ist die zweite Gabe, die sie auf den Weg
in's Dasein mitbekommt, aus ihr entspringt der Aufbau und Außenbau. Verwischt sich
die klare Trennung der beiden Vorgänge, so geht die psychologische Erklärung der Ar-
chitektur, die eben nur in der Raumerfindung wurzelt, verloren.-Wie der Vortragende
selbst hervorhob, galt es ihm lediglich. weine verdunkelte Seite wieder zu beleuchten,
an eine ganz alte Geschichte zu erinnern, weil sie einen unverlulierlichen Werth hats.
Da in unserer specialisirenden, auf fachliche Ausbildung hindrangenden Zeit nur zu
oft die Grundfesten einer Wissenschaft zu wanken scheinen, ist es aber wichtig, dass sie
von Zeit zu Zeit Einer auf ihre Festigkeit hin untersucht. Fs.
s!
Kirchliche Decorations-Malereien im Stile des Mittelalters von Wilhelm
Pastern. r. Liefg. Leipzig, Jlistel 8L Göttel, o. J. Fol. Taf. l-Vl
und z S. Text. M. 9.
Pastern in Crefeld ist kein Neuling auf dern Gebiete der kirchlichen Decoration.
Seine bereits mehrfach erprobten Kenntnisse und Erfahrungen gewähren ihm nicht allein
Freiheit der Bewegung auf dem von ihm gewählten Gebiete, sondern setzen ihn auch
in die Lage, den Wünschen und Anforderungen seines Publicums in vollem Maße gerecht
zu werden. Wie den alteren Verlagswerken dieser Art, so liegen auch diesen eifrige