alten Bekannten vom Jahre 1891. Bei hellem Tageslichte fand ich alle
meine damaligen Beobachtungen vollauf bestätigt, - auch Hinsichtlich
der farbigen Erscheinung, wobei mir nur auffiel, dass der grünliche
Grund im Mittelfelde den Ton streifenweise wechselt, wie dies insbe-
sondere an orientalischen Nomadenteppichen in Folge von Nachlässigkeit
der Webenden nicht selten zu beobachten ist, aber an einem zweifellos
für feierlichere Zwecke (Wappen!) gefertigten Teppich mindestens als un-
gewöhnlich bezeichnet werden muss; auch auf diesen Umstand müsste
sich daher die stoffliche Untersuchung des Teppichs erstrecken. Aber
nicht genug damit: ich fand noch einen zweiten Teppich dieser Art
ausgestellt. Urtbegreiüicherweise hat man denselben in einem zweiten
Saale aufgehängt, obzwar beide Teppiche offenbar zusammengehören;
der Katalog hat diese Zersplitterung einigermaßen gut zu machen ge-
sucht, indem er die beiden Stücke nacheinander (unter Nr. 106 und x07)
verzeichnet. Auch sind beide in dem gleichen Besitze vereinigt, nur ist
im Katalog statt der Kirche zu Toki diejenige von Zelechöw als Eigen-
thümerin genannt, was mit besonderen Besitzverhältnissen zusammen-
hängen mag.
Dieses Seitenstück nun, das mir seinerzeit zu Toki nicht gezeigt
wurde, und das vermuthlich zu Zelechow in Folge der durch mich ver-
anlassten Recherchen nach dem Tokier Exemplar an's Licht gebracht
worden ist, erweist sich, trotzdem es in den Maßen etwas kleiner ist,
vor Allem in technischer Beziehung als völlig übereinstimmend mit dem
zuerst gefundenen Teppich. Vorn künstlerischen Inhalt ist namentlich die
Bordüre beiderseits fast die gleiche; oben wird dieselbe auch hier durch
polnische Adelswappen unterbrochen, die im Katalog sämmtlich namentlich
bestimmt sind. Der Grund des Mittelfeldes ist schmutzigweiß und zeigt in
der gleichen stilistischen Behandlung wie dort einen Korb über Frucht-
schnüren und die Jahrzahl 1698 in sogenannten arabischen, d. h. abend-
ländischen Ziffern.
Welche Folgerungen werden wir nun aus diesem Befunde ziehen
dürfen? Die beiden Teppiche sofort schlankweg als echte und wirkliche
Polenteppiche, d. h. von polnischer Arbeit, zu erklären, geht meines Er-
achtens doch nicht an. Die Knüpfung ist zwar nicht fein, sondern derb;
aber es gibt auch derb geknüpfte orientalische Teppiche. Die Zeichnung
der Blumenranken ist vielfach eckig und unbeholfen wiedergegeben;
aber die ganz und gar ungewohnte Vorlage konnte auch einen orien-
talischen Knüpfer verwirren. Auf ähnliche Weise ließe sich das farbige
Aussehen erklären: die Vorlage hatte nun einmal diese bestimmten Töne,
und dem orientalischen Knüpfer blieb nichts Anderes übrig, als eben diese
Töne wiederzugeben; auch entspräche das sorglose Changiren in der grün-
lichen Grundfarbe eher einem orientalischen als einem abendländischen
Textilkünstler. Mit einem Worte: was wir an dem Teppich Unorien-
talisches sehen, könnte noch immer auf Rechnung des Bestellers kommen,