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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 11)

lung Wien'a in den Sechziger Jahren: die erste Wiener Renaissance. Heute stehen wir 
vor einem lhnlichen Wendepunkte unserer Vaterstadt: der zweiten Renaissance. Der 
Vergleich zwischen damals und heute liegt auf der Hand. Beidemale wurden überaus 
große Baugründe geschaifen, das ist das ähnliche llnßere Baumoment; der Unterschied 
liegt im inneren Baumoment. Damals harrten der Architekten monumentale Aufgaben. Das 
fehlt heute; die großen Bauindividuen sind alle vollendet. Unter solchen Umständen 
kann es für die künstlerische Ausgestaltung Jung-Wien's nur eine Richtschnur geben: Weil 
die großen Bauindividuen fehlen, müssen Baucomplexe an deren Stelle treten. Diese 
müssen, da sie nicht das Werk eines einzelnen Künstlers sein können, wenigstens nach 
einem allgemeinen Plane angelegt werden. Die bloßen Stadtregulirungsplane reichen 
jedoch hiezu offenbar nicht aus, wir dürfen sie in ihrer Wirkung auf die Baupraxis 
keineswegs überschätzen. Klares, von Erfolg gekrontes Wirken kann zuvörderst nur von 
der Baubehörcle erwartet werden; im Weiteren von einem collegialen Zusammenwirken 
der Künstler selbst. Dabei braucht Eigenart nicht verloren zu gehen, und ebenso kann 
vullc Stilfreiheit gewahrt bleiben. Zu empfehlen wäre die Anlage von sogenannten Höfen, 
d. h. Gebaudegruppen von einheitlicher architektonischer Durchführung; ebenso überall 
da, wo hervorragendere Bauten entstehen, die Anpassung der Nachbargebaude an die- 
selben nach dem Grundsatze der Neben- und Unterordnung. - Eine Gefahr droht 
immerhin, nämlich die, dass die zukünftige Bauara die des trockenen Nützlichkeitsstils, 
des Verkehrs- und Eisenbahnbaues wird. Dies nach Möglichkeit zu verhindern, ist 
deshalb die heilige Pflicht der heutigen Künstlergeneration, die zu ihren großen Vor- 
gängern aufzublicken sich scharnen müsste, wenn sie etwa sich selbst und ihre Zeit 
verloren gäbe. - Noch sind die Männer unvergessen, die vor vierzig Jahren auf dem 
Plane gestanden; sie sind aber auch noch unersetzt, das kann heute nicht leicht 
nachdrücklich genug hervorgehoben werden. Unsere Zeit, - ja sagen wir Zeit, ohne 
Namen zu nennen, - ist übermuthig und blickt vielfach rnit zu geringer Schätzung auf 
ihre Altvordern herab. Das ist unklug und ungerecht zugleich. Nicht Hochmuth, nicht 
Selbstüberschatznng, höchstens Selbstvertrauen und die Erkenntniss des eigenen Könnens 
sollte uns erfüllen, wahrend wir Wien's zweiter Renaissance entgegenschreiten, allerdings 
mit der Hoßnung entgegenschreiten, dass auch sie ihre Künstler finden wird, so wie 
dereinst die erste Wiener Renaissance ihre Künstler gefunden hat. 
Litteratur- Bericht. 
Anleitung zur Bildhauerei fLir den kunstliebenden Laien. Von Rudolph 
Maison. Mit 61 in den Text gedr. Abbild. und 2 Taf. Leipzig, 
J. J. Weber, 1894. 8". 119 S. geb. M. 3. (Nr. 150 von Weber's 
lllustr. Katechismen.) 
Das Gebiet der Plastik wird von Dilettanten verhaltnissmaßig selten betreten. Aus 
diesem Grunde fehlen in der Litteratur populare Anleitungen zur Bildhauerei, die etwa 
den überaus zahlreichen, für Liebhaber iler Malerei bestimmten Schriften und Schriitchen 
zur Seite gestellt werden konnten. Es kann daher Maison's kurzgefasste Anleitung den 
angehenden Plastikern um so mehr willkommen sein, als sie auch leicht verständlich und 
durch charakteristische bildliche Darstellungen der Proceduren noch besonders unter- 
stutzt ist. In siebzehn Capiteln wird das Modelliren in Thon, das Formen, das Gießen 
in Gips, das Arbeiten in Terracotta, die Marmorbearbeitung, das Holzschnitzen u. s. w. 
erklart. Zum Schluss: ist auch noch ein besonderer Abschnitt der Anatomie des mensch- 
lichen Körpers gewidmet. . M-t. 
Gipsabglisse, Stuckarbeiten und künstlicher Marmor, ihre Herstellung 
und Färbung. Von Ludwig Bernhard. Frankfurt alM., H. Bechhold, 
o. J. (1893). 80' 92 S. M. 2. 
Das Büchlein zeigt in einfacher, leicht verständlicher Weise, wie Abgüsse verschie- 
denster Art aus Gips und gipshaltigen Massen oder aus anderen geeigneten Mischungen 
herzustellen sind. Hiebei ist ausführlich die Anfertigung der als Hauptsache zu betrach- 
tenden Formen [Gips-, Leim-, Agar-Agarformen etc.) erklart, und bei den Anleitungen im 
Allgemeinen auch auf Vieles Rücksicht genommen, was hie und da zerstreut in der weit- 
läufigen Fachlitteratur enthalten ist. Seit! zahlreich finden sich Anweisungen zur Er- 
zielung farbiger Ausstattung der Gips- und Massegegenstande. sowie zu den verschie- 
denen Verschdnerungsmethoden durch Schleifen, Poliren und sonstige Bearbeitung, 
namentlich des künstlichen Marmors, des Stuccds und anderer ähnlicher Körper. 
M-t. 
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