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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 11)

Hauptarten von Einbänden lassen sich mit Bezug auf künstlerische Aus- 
stattung unterscheiden. Der alterthümliche Einband nach Mustern des 
16. und 17. Jahrhunderts, und der moderne Einband, der unabhängig 
von diesen Vorbildern neue Motive anwendet. Der Bibli0theks- und Buch- 
händler-Einband fällt kaum mehr in den Kreis unserer Betrachtungen. 
Der eine, weil er in künstlerischer Beziehung meist zu anspruchslos ist, 
der andere, weil er in der Regel zu sehr im Dienste der Reclame steht. 
Von den zwei erstgenannten Arten ruft der historische Einband, wenn wir 
ihn so nennen dürfen, da er sich an Vorbilder hält, die der Geschichte 
angehören, ohne Zweifel die größere ästhetische Befriedigung hervor. 
Hauptvertreter dieser Gattung ist das berühmte Haus Gruel-Engel- 
mann. Aber auch eine stattliche Reihe anderer Firmen arbeitet in diesem 
Genre und producirt wahre Juwele der Buchbinderkunst. Da sieht man 
Ledereinbände mit Handvergoldung, in Blinddruck, mit Relief und in 
geschnittener Arbeit, in Ledermosaik mit und ohne Gold-Contour, beson- 
ders aber Goldpressungen nach Mustern des 17. und 18. Jahrhunderts, 
wdentelle ä petits fersu genannt, in denen uns von Boyet so reizende 
Vorbilder erhalten sind. 
Die zweite Gattung, der moderne Einband, entnimmt die Ziermotive 
für Rücken und Decke dem Inhalt des Buches, verwendet naturalistische 
Formen der Thier- und Pflanzenwelt nach Art der Japaner und gefällt 
sich wie gewisse Neuerer auf dem Gebiete der Malerei in der absichts- 
vollen Vermeidung alles Herkömmlichen, unbekümmert um landläuiige 
SchönheitsbegriHe. - Gegen die Verwendung von Motiven, die der Inhalt 
des Buches darbietet, lässt sich principiell nichts einwenden. Wir haben 
hiefür schon aus dem 15. Jahrhundert glänzende Beispiele'). Es kommt 
nur darauf an, in welcher Weise es geschieht. Namentlich wird man hiebei 
nie außer Acht lassen dürfen, dass die handwerklichen Mittel des Buch- 
binders es nicht erlauben, bestimmte Grenzen zu überschreiten und keine 
Virtuosität im Stande ist, über die Schranken, die Material und Technik 
sich selber setzen, hinwegzutäuschen. Aber auch innerhalb der angedeuteten 
Grenzen stellt diese Art des Einbandes an die fachliche Bildung, den guten 
Geschmack und feinen Tact des Künstlers weit größere Anforderungen 
als der historische, der sich immer wieder an bewährten Mustern Raths 
erholen kann. Da es nur selten möglich ist, solch hohen Ansprüchen 
Genüge zu leisten, begegnen wir auf der Ausstellung selbst bei den hervor- 
ragendsten Firmen schweren MissgriEen. ln der Regel geht man viel zu 
weit und will förmliche Bildwirkungen erreichen. Der Eine hat Goethe's 
Faust einzubinden und stellt, in Lederschnitt bemalt und modellirt, Gret- 
chen im Dome dar. Ein Anderer nimmt für Edgar Poä's nHistoires extra- 
ordinairesu einen Pergamentband und malt auf die Vorderseiten eine 
') Ich denke hiebei besonders an den prächtigen Einband unserer Hufbibliothek 
mit dem Liebespur.
	        
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