Hauptarten von Einbänden lassen sich mit Bezug auf künstlerische Aus-
stattung unterscheiden. Der alterthümliche Einband nach Mustern des
16. und 17. Jahrhunderts, und der moderne Einband, der unabhängig
von diesen Vorbildern neue Motive anwendet. Der Bibli0theks- und Buch-
händler-Einband fällt kaum mehr in den Kreis unserer Betrachtungen.
Der eine, weil er in künstlerischer Beziehung meist zu anspruchslos ist,
der andere, weil er in der Regel zu sehr im Dienste der Reclame steht.
Von den zwei erstgenannten Arten ruft der historische Einband, wenn wir
ihn so nennen dürfen, da er sich an Vorbilder hält, die der Geschichte
angehören, ohne Zweifel die größere ästhetische Befriedigung hervor.
Hauptvertreter dieser Gattung ist das berühmte Haus Gruel-Engel-
mann. Aber auch eine stattliche Reihe anderer Firmen arbeitet in diesem
Genre und producirt wahre Juwele der Buchbinderkunst. Da sieht man
Ledereinbände mit Handvergoldung, in Blinddruck, mit Relief und in
geschnittener Arbeit, in Ledermosaik mit und ohne Gold-Contour, beson-
ders aber Goldpressungen nach Mustern des 17. und 18. Jahrhunderts,
wdentelle ä petits fersu genannt, in denen uns von Boyet so reizende
Vorbilder erhalten sind.
Die zweite Gattung, der moderne Einband, entnimmt die Ziermotive
für Rücken und Decke dem Inhalt des Buches, verwendet naturalistische
Formen der Thier- und Pflanzenwelt nach Art der Japaner und gefällt
sich wie gewisse Neuerer auf dem Gebiete der Malerei in der absichts-
vollen Vermeidung alles Herkömmlichen, unbekümmert um landläuiige
SchönheitsbegriHe. - Gegen die Verwendung von Motiven, die der Inhalt
des Buches darbietet, lässt sich principiell nichts einwenden. Wir haben
hiefür schon aus dem 15. Jahrhundert glänzende Beispiele'). Es kommt
nur darauf an, in welcher Weise es geschieht. Namentlich wird man hiebei
nie außer Acht lassen dürfen, dass die handwerklichen Mittel des Buch-
binders es nicht erlauben, bestimmte Grenzen zu überschreiten und keine
Virtuosität im Stande ist, über die Schranken, die Material und Technik
sich selber setzen, hinwegzutäuschen. Aber auch innerhalb der angedeuteten
Grenzen stellt diese Art des Einbandes an die fachliche Bildung, den guten
Geschmack und feinen Tact des Künstlers weit größere Anforderungen
als der historische, der sich immer wieder an bewährten Mustern Raths
erholen kann. Da es nur selten möglich ist, solch hohen Ansprüchen
Genüge zu leisten, begegnen wir auf der Ausstellung selbst bei den hervor-
ragendsten Firmen schweren MissgriEen. ln der Regel geht man viel zu
weit und will förmliche Bildwirkungen erreichen. Der Eine hat Goethe's
Faust einzubinden und stellt, in Lederschnitt bemalt und modellirt, Gret-
chen im Dome dar. Ein Anderer nimmt für Edgar Poä's nHistoires extra-
ordinairesu einen Pergamentband und malt auf die Vorderseiten eine
') Ich denke hiebei besonders an den prächtigen Einband unserer Hufbibliothek
mit dem Liebespur.