verbindender Schnürchen (der sogenannten Litgen) befestigt war, musste
sich außerhalb der Kettfliden und über dem ersteren Querholz, also
zwischen diesem und dem Zeugbaum (oder dem Gabelungspunkte der
beiden Kettfädenhälften) befinden. Eine besondere Stärke war bei diesem
zweiten Querholz nicht nothwendig, durch das Erforderniss der Hand-
samkeit vielmehr eine schmächtige Stabform geboten.
Aus dem Gesagten ergibt sich die Bedeutung der beiden Quer-
hölzer in der Mitte des in Fig. t abgebildeten antiken Webstuhls von
selbst. Das untere, breitere, ist der starke Stab, welcher zur natürlichen
Fachbildung dienen sollte, das darüber befindliche schmälere Stäbchen
war zum Litzenaufzug bestimmt, um damit nach alternirendem Bedarb
die hintere Kettfädenhälfte nach vorne zu ziehen. An diesem Webstuhl,
der in Böotien im 5. Jahrhundert v. Chr. in Gebrauch gewesen sein
muss, bleibt hienach nichts mehr unverständlich oder zweifelhaft. Wir
vermissen höchstens die Spatha, d. i. das Instrument, womit die frisch
eingetragenen Schussfäden an das fertige Zeug angeschlagen und fest-
gepresst wurden. Dafür bietet uns einen überaus kostbaren Ersatz der
Anblick der Spule, um welche der Einschlag gewickelt war und die am
aufrechten Webstuhl der Hellenen dieselbe Function zu erfüllen hatte,
wie das WebeschiEchen am horizontalen Webstuhl.
Um das hiemit gewonnene Ergebniss vollends sicher zu stellen, er-
scheint es geboten, dasselbe einerseits an der Hand der sonstigen in Ab-
bildung überlieferten antiken Webstllhle, andererseits durch den Nachweis
thatsächlich vorhandener Webstühle dieser Art, wenn auch nicht ans
antiker Zeit, zu überprüfen. Von den zwei Abbildungen antiker Web-
stühle, die bisher bekannt geworden sind und Veröffentlichung gefunden
haben, kann für eine eingehendere Untersuchung der einschlägigen Fragen
nur der Webstuhl der Penelope in Betracht kommen, den nach dem
bekannten Gemälde einer chiusinischen Vase (Monum. ined. IX, Taf. 42,
hienach Fig. 5) Conze in den Annali 1872, S. 190-198 so gründlich
und aufschlussgebend besprochen hat, als es das zum Substrat dienende
Gemälde eben gestattete. Vorn Webstuhl der Kirke im vatikanischen
Virgil dagegen wird das Wenige, was sich demselben entnehmen lässt,
zum Schlusse im Besonderen gesagt werden.
Wie nachstehende Reproduction (Fig. 5) sofort erkennen lässt, unter-
scheidet sich der chiusinische Stuhl, wie wir ihn hier nennen wollen, von
unserem böotischen (Fig. i) durch eine Ausstattung mit Details, die dem
Verständniss des Ganzen keineswegs nützen, sondern eher eine Verwir-
rung herbeiführen. Um sofort auf das Entscheidende vorzugehen, ver-
weisen wir auf die beiden Querhölzer in der Mitte des Webstuhls. Die
eine Vermuthung Conze's lautete ganz richtig auf ihre Bestimmung zur
Theilung der Kette behufs Fachbildung; näher auf den Process einzu-
gehen, der damit beabsichtigt war, scheint ihn die Wahrnehmung ge-
hindert zu haben, dass die Kettfäden in ihrer Gesammtheit, und nicht