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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 3)

an, reflectirt aber in der Regel nicht auf einen Nachwuchs von Seiten 
der öffentlichen weiblichen Arbeitsschulen. 
Was verbleibt hienach als besondere Aufgabe der Schulen? Sie 
sollen nach Möglichkeit die traditionelle Beschäftigung des weiblichen 
Geschlechtes rnit textilen Handarbeiten wach und rege erhalten und 
daneben auch andere Kunsttechniken lehren. Wie weit erfüllen nun die 
Schulen in Frankreich und insbesondere in Paris diese ihre Aufgabe, 
und welcher ist der Stand der weiblichen Handarbeit als Resultat der 
Schulthätigkeit im heutigen Frankreich? 
Wir versuchen uns die Frage zuerst durch die Betrachtung der 
Leistungen der Dilettantinnen als der ausgelernten Elevinnen jener 
Schulen zu beantworten. Hiefür war aber auf der Pariser Ausstellung nicht 
das richtige Material gegeben. Was eine Anzahl hochgeborener, in weiB 
Gott welchem ausländischen Pensionate erzogener Damen mehr aus Sport 
als aus wahrem Herzensbedürfniss nach Bethätigung eines echt weiblichen 
KunstschaEenstriebes eingesandt hatte, wird Niemand zum Maßstab für 
die bezüglichen Leistungen der französischen Frauenwelt überhaupt machen 
wollen. Und dennoch waren diese prunkvollen, keineswegs einem unschein- 
baren Hausgebrauche gewidmeten Gegenstände, nach einer Seite hin 
bemerkenswerth und typisch: mit der ausgesprochenen Tendenz auf 
äußere Prachtentfaltung repräsentiren sie nämlich in der That, wie wir 
gleich sehen werden, die Richtung, in der sich die bezüglichen Neigungen 
der modernen Französinnen im Allgemeinen bewegen. 
Sehen wir endlich, was uns die Schulen selbst mit ihren Expo- 
sitionen über ihre Ziele und Aufgaben, sowie über die Mittel, sie zu 
erreichen, sagten. Da ließ sich nun zweierlei beobachten. Erstens der 
Umstand, dass gerade Dasjenige, was bei uns sozusagen den nationalen, 
auf den Familienbegrili gebauten Grundstock des weiblichen Handfertig- 
keitsunterrichtes bildet - die Befähigung, den gewöhnlichen textilen 
Hausrath zu eigenen Nutzzwecken in gefälliger Weise zu verzieren - 
dass dies von den französischen Schulen augenscheinlich gar nicht ange- 
strebt wird. Leinenstickereien waren deshalb so gut wie gar nicht zu 
finden; meines Erinnerns hatte derlei nur eine einzige Schule aus einer 
kleinen Provinzstadt im Departement Seine-et-Oise eingesandt. Dagegen 
waren es hauptsächlich Seidendecken und dergleichen Luxusgegenstände, 
die schon ob ihres kostbaren Materials mehr für Repräsentation berechnet 
erschienen, deren Verzierung sich die Fingerfertigkeit der Französinnen 
dermalen widmet. Es ist dies übrigens eine Erscheinung, die auch auf 
der weiblichen Arbeitsausstellung zu Florenz im Jahre 1890 zu beobachten 
gewesen ist. Hat man dieselbe aus einer Eigenthürnlichkeit des romanischen 
Nationalcharakters oder aus vorgeschrittener Nachgiebigkeit gegenüber 
den wirthschaftlichen Umwälzungen unserer Tage zu erklären? Wahr- 
scheinlich aus beiden.
	        
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